"Wish": Disney-Märchen über Machtmissbrauch in der Wunschwelt
"Wish" mit seiner liebe- und detailvoll animierten Fantasiewelt ist hübsch anzuschauen. Es fehlt nur der tiefe, schwer auflösbare Konflikt, den eine "Eiskönigin" zu bieten hat und der für wirkliche Spannung sorgt.
Wenn sich der Disney-Konzern etwas wünschen dürfte, dann wäre es sicher jedes Jahr eine neue "Eiskönigin", die zum Kinder-Idol und Milliarden-Geschäft wird. In der Liga aber spielt "Wish" nicht mit, weil hier kein altbekanntes Märchen neu belebt, sondern ein ganz neues erdacht wird. Und die Grimms oder Andersen zu toppen, fällt in der Regel sogar Disney schwer.
Unerfüllte Wünsche im Multi-Kulti-Paradies
Asha, die weibliche Hauptfigur mit dunkler Haut und schwingenden Rasta-Zöpfen, besingt zunächst die Insel der Seligen, auf der sie mit ihrer Familie leben darf. König Magnifico hat hier ein Multi-Kulti-Paradies erschaffen, in dem alle willkommen sind und ihre sehnlichsten Wünsche dem Herrscher persönlich anvertrauen dürfen. Der hebt sie dann sorgfältig auf, um sie nach und nach mit Hilfe seiner Zauberkräfte zu erfüllen. Das zumindest dachte Asha, wie alle Bewohner von Rosas, bis sie eines Tages bei einem Bewerbungsgespräch im Schloss eine verstörende Entdeckung macht: Unter der Glaskuppel nämlich schweben tausende von Wünschen wie Seifenblasen - unerfüllt; und Magnifico denkt gar nicht daran, sie wahrzumachen.
"Warum gebt Ihr sie nicht einfach zurück?"
"Wie bitte?"
"Die Wünsche, die Ihr nicht erfüllen werdet. Die könntet Ihr doch einfach zurückgeben. Dann könnten die Menschen versuchen, sie sich selbst zu erfüllen. Und wenn sie gefährlich sind, kann man sie aufhalten. Aber…"
"Du hast das Wesentliche nicht verstanden! Die Menschen kommen her, weil sie wissen, dass sie ihre Träume nicht allein verwirklichen können. Sie geben ihre Wünsche mir, freiwillig, und ich sorge dafür, dass sie ihre Sorgen vergessen."
Filmszene
Vergessen ist nämlich auch der einmal ausgesprochene Wunsch. Und das kluge Mädchen Asha durchschaut, wie tragisch das für die Menschen ist und wie anmaßend vom König. Der edle, fürsorgliche Monarch entpuppt sich also als böser, eitler Tyrann, dem die mutige junge Heldin nun - Schmachtballaden singend - die Stirn bietet.
Parallelen zu "Lauras Stern"
Und weil es richtig schwer ist, sich noch ein ganz neues Märchen auszudenken, haben sich die "Wish"-Macher quasi "Lauras Stern" ausgeborgt. Der herabgepurzelte Himmelskörper sieht hier aus wie ein schwirrender Teletubbie - und bringt mit ein bisschen Sternenstaub Tiere zum Sprechen.
Ziege Valentino ist ein drolliger Sidekick, die selbstbewusste Asha grundsympathisch und "Wish" mit seiner, wie immer liebe- und detailvoll animierten Fantasiewelt deshalb hübsch anzuschauen. Es fehlt nur der tiefe, schwer auflösbare Konflikt, den eine "Eiskönigin" zu bieten hat und der für wirkliche Spannung sorgt. Die Fronten sind allzu schnell klar in diesem vergleichsweise simplen Disney-Märchen.
Man könnte natürlich auch ein wenig mehr hineininterpretieren: Ein Volk, dessen Leidenschaften der herrschende Autokrat im Keim erstickt, und eine Rebellin, die gegen die Wunsch-Zensur aufbegehrt - das klingt nach Revolutions-Parabel! Aber vermutlich eher ungewollt. Denn "Wish" wurde mit einer großen Premiere gerade auch in China gefeiert.
Wish
- Genre:
- Animation | Musical
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- USA
- Zusatzinfo:
- Mit Patricia Meeden, Alexander Doering, Hazel Brugger u.a.
- Regie:
- Chris Buck
- Länge:
- 95 Minuten
- FSK:
- ab 0 Jahre
- Kinostart:
- 30. November 2023