"The Ordinaries": Ein Filmset als Abbild der Welt
Regisseurin Sophie Linnenbaum nimmt ein Filmset als Abbild der Welt, um von Ausgrenzung zu erzählen. Ein schillerndes Leben im Scheinwerferlicht ist in "The Ordinaries" nur Hauptfiguren vergönnt.
"Das ist meine Mutter. Also, nicht die da vorne. Die da hinten. Meine Mutter ist eine Nebenfigur. Also, sie arbeitet im Hintergrund." Filmszene
Willkommen in der filmreifen Welt von Paula Feinmann: Die Bewohner sind hier nicht in Klassen, Kasten oder Ober-, Mittel- und Unterschicht eingeteilt, sondern in Haupt- und Nebenfiguren. Und dann gibt’s noch die, die überhaupt nicht ins Bild passen - sie werden "Outtakes" genannt und sind zu einem Leben außerhalb der Filmkulissen verdammt. Paula selbst hat immerhin die Chance, die Hauptfiguren-Schule zu besuchen und zu zeigen, dass sie für große Rollen geboren ist, wie ihr verstorbener Vater. Hauptfiguren haben nicht nur ein Leben voller toller Story-Lines, sondern auch ihre eigenen Soundtracks oder gar Musical-Nummern. Und so geht es weiter und weiter mit der Film-Metaphorik in dieser Gesellschaftsparabel.
Sophie Linnenbaum erzählt von Ausgrenzung
Schon während des Regiestudiums hatte Sophie Linnenbaum die schöne Idee, ein Filmset als Abbild der Welt zu nehmen, um von Ausgrenzung zu erzählen. Zunächst wurde ein Kurzfilm daraus, nun ihr Debütfilm fürs Kino. Ein schillerndes Leben im Scheinwerferlicht ist in "The Ordinaries" nur Hauptfiguren vergönnt. Ihre Kostüme sind entsprechend bunt. Nebendarsteller dürfen als farblos gekleidete graue Mäuse immerhin am Rand mitspielen. Die Outtakes aber sind schwarz-weiß, werden für niedere Sklavendienste missbraucht und in Slums verbannt.
"Da draußen gibt es keine richtigen Gefühle. Da draußen gibt es keine Geschichten. Ich will keinen von Euch da draußen rumlaufen sehen, ja! Das ist kein Ort für eine Hauptfigur." Filmszene
Paula geht dann doch hin, in der Hoffnung, hier jemanden zu finden, der ihren Vater noch gekannt hat. Denn merkwürdigerweise sind alle Archivaufnahmen von ihm gelöscht worden. Höchste Zeit für Paula, mal darüber nachzudenken, wer in ihrer Welt eigentlich Regie führt und damit Macht über die Geschichten hat, die verbreitet werden. Darum nämlich geht es Regisseurin Linnenbaum in "The Ordinaries": "Mich hat es sehr beschäftigt, dass dieses Nachbilden von Narrativen und immer wieder Neu-Erzählen auch die Wirklichkeit verändert. Was wir auch in unserem filmischen Erleben ständig bemerken. Also: Wer ist präsent, wer wird gesehen, wer wird gezeigt, und mit welchen Geschichten werden die Leute gezeigt? Und wenn man diese Geschichten wiederholt, dann reproduziert man Stereotype."
Sie meint also durchaus etwas Ernstes: das Kapern der öffentlichen Meinung durch Rechtspopulisten, das Stigmatisieren ganzer Bevölkerungsgruppen. Das Publikum aber lässt sie eintauchen in die bonbonbunte Welt eines 50er-Jahre-Hollywood-Musicals und bringt es mit wunderbar verspieltem Bild- und Wortwitz zum Lachen.
"The Ordinaries": Origineller Genre-Mix
Die Handlung hätte man hier und da etwas straffen können; ansonsten ist der Film ein stimmiges Gesamtkunstwerk, bei dem alles ineinander greift: Kostüme, Szenenbild, die differenzierte Bildsprache der Kamera, der Soundtrack, natürlich auch das Schauspiel-Ensemble. Sophie Linnenbaum zaubert - unter Zuhilfenahme aller Gewerke - einen hochgradig originellen Genre-Mix und ein humorvolles Plädoyer für Chancengleichheit.
The Ordinaries
- Genre:
- Science-Fiction | Satire
- Produktionsjahr:
- 2022
- Produktionsland:
- Deutschland
- Zusatzinfo:
- Mit Fine Sendel, Jule Böwe, Henning Peker u.a.
- Regie:
- Sophie Linnenbaum
- Länge:
- 120 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- 30. März 2023