"One Life": Wie ein Börsenmakler jüdische Kinder vor den Nazis rettete
Nazi-Diktatur in Deutschland, Kriegs-Angst in Europa, verzweifelte Menschen auf der Flucht - was kann ein Einzelner da noch groß bewegen? Der britische Börsenmakler Nicholas Winton hat Ende der 1930er über 600 jüdische Kinder vor den Nazis gerettet. Das Kinodrama "One Life" erzählt seine Geschichte - mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle.
Dieser Film hat sogar zwei Geschichten zu erzählen. Und nur die eine beginnt 1938 im Flüchtlingslager in Prag: Hier begegnet der junge Brite Nicky Winton jüdischen Familien auf der Flucht vor Hitler, sieht ihr Elend und beschließt, von Mitgefühl überwältigt, zu handeln. Die andere Geschichte spielt 1987. Winton ist nun ein alter Mann, dargestellt von Anthony Hopkins, längst pensioniert. Er hat ein schönes Haus, einen Swimmingpool und eine liebevolle Frau. Doch da ist diese alte Lederaktentasche, die er hütet wie einen Schatz und die für eine Vergangenheit steht, die ihn nicht loslässt:
"Sie haben bestimmt viel zu erzählen."
"Um mich geht’s überhaupt nicht."
Filmszene
Hier will einer nicht der "Held" einer Geschichte sein und schon gar nicht als solcher gefeiert werden. Winton überlegt nur, in welche Hände er das kostbare Erinnerungsstück aus seiner Tasche geben soll: ein Album, vollgeklebt mit Kinderfotos und Namenslisten, vielleicht für ein Museum oder historisches Institut wertvoll.
Während der alte Herr sich endlich aufrafft, nach Interessenten zu suchen, wird auf der anderen Zeitebene das Engagement des jungen Mannes sichtbar. Sein Plan ist es, in England Pflegeeltern zu finden, die bereit sind, jüdischen Kindern aus Prag vorübergehend ein Zuhause zu bieten. Dafür muss er allerdings den britischen Behörden Dampf machen. Denn Hitler, das ist zu diesem Zeitpunkt schon absehbar, wird früher oder später in der Tschechoslowakei einmarschieren. Jeder Tag zählt also für die Kinder, die Winton retten will. Hunderte stehen auf seiner Liste. Eine Menge Pflegeeltern werden gebraucht - und eine Visa-Behörde, die den Ernst der Lage erkennt. Glücklicherweise hat Winton in seiner Mutter, gespielt von Helena Bonham Carter, eine hartnäckige Mitstreiterin.
Anthony Hopkins: "Ein wunderschönes Drehbuch ohne Kitsch"
Doch auch wenn Mutter und Sohn das Unmögliche möglich machen und insgesamt 669 Kinder vor der Deportation durch die Nazis bewahren - es wird nicht genug sein:
"Nicky, Dir ist doch klar, dass wir nicht alle retten können? Das musst du Dir selbst unbedingt verzeihen!" Filmszene
Und genau das kann er sein Leben lang nicht. Hopkins trägt als gealterter Winton eine tiefe Trauer in sich, die sich nicht über große Worte, sondern kleine Gesten mitteilt. "Ein wunderschönes Drehbuch ohne Kitsch. Ich mag es gar nicht, wenn es zu sentimental wird", findet der Darsteller. "Ich spiele auch lieber reduziert. Je weniger Du tust, umso besser. Lass das Publikum die Arbeit erledigen. Halt es einfach!"
"One Life": Historiendrama, das ziemlich aktuell ist
An einer Stelle wird der Film dann doch sentimental, und das hat seinen Grund: Für eine Fernsehshow wird ein Wiedersehen zwischen Holocaust-Überlebenden und ihrem Retter arrangiert. Das ist emotional überwältigend für die Figuren im Film wie fürs Publikum.
Couragiertes Handeln Einzelner kann Leben retten - insofern ist "One Life" gar nicht so sehr Historiendrama, sondern ein sogar ziemlich aktueller, sehenswerter Film über Anstand und Haltung.
One Life
- Genre:
- Drama
- Produktionsjahr:
- 2023
- Produktionsland:
- Vereinigtes Königreich
- Zusatzinfo:
- Mit Anthony Hopkins, Johnny Flynn, Helena Bonham Carter u.a.
- Regie:
- James Hawes
- Länge:
- 113 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- 28. März 2024