Sandra Hüller (2.v.r.) als Mutter der Familie Höss hält im Outfit der 40er-Jahre mit hochgesteckten Haaren ein Baby mit Haube in ein Blumenbeet - Szene aus dem Spielfilm "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer © Leonine

Auschwitz-Drama "The Zone of Interest" zeigt Banalität des Bösen

Stand: 11.03.2024 07:00 Uhr

"The Zone of Interest" unterläuft gezielt gängige Zuschauererwartungen. Der mit zwei Oscars ausgezeichnete Film liefert eine grauenhaft nüchterne Alltagsschilderung des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seiner Familie. Er läuft mit großem Erfolg im Kino.

Eine Frau hält ein Baby vor sich und beugt sich über ein Blumenbeet. © picture alliance Foto: ASSOCIATED PRESS | Uncredited
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von Bettina Peulecke

Bei seiner Weltpremiere in Cannes sorgte "The Zone of Interest" letztes Jahr auf Anhieb für Furore. Inzwischen ist das Holocaust-Drama, das auf dem Roman von Martin Amis basiert, mit zwei Oscars ausgezeichnet worden: als bester internationaler Film und für den besten Sound. In den Kinocharts ist er direkt nach Anlauf im Kino auf Platz zwei der Charts gelandet: Mehr als 100.000 Zuschauerinnen und Zuschauer haben ihn seit Start gesehen. In den Hauptrollen: die deutschen Schauspieler Sandra Hüller und Christian Friedel.

"Zone of Interest" setzt viel historisches Wissen voraus

Dieser Film ist so eindrücklich, weil er das absolute Gegenteil von aufklärenden Spielfilmen mit eingängigem Gut-und-Böse-Schema à la "Schindlers Liste" ist. Und er setzt viel historisches Wissen voraus.

VIDEO: "The Zone of Interest": Friedel und Hüller über das Ehepaar Höß (11 Min)

Der "normale" Alltag der Familie Höß

Am Anfang steht die Dunkelheit: eine schwarze Leinwand vor Augen, wummernde Klänge im Ohr. Der Filmtitel erscheint in Weiß, die Buchstaben zerfasern, verschwinden. Der Klangteppich wird wieder dichter, um dann fast übergangslos von Vogelgezwitscher abgelöst zu werden. Nun ist der Himmel blau, es ist ein schöner Sommertag, eine fünfköpfige Familie badet im Fluss.

Jonathan Glazers "The Zone of Interest" unterläuft gezielt gängige Zuschauererwartungen. Er setzt formal und inhaltlich auf Kontraste und liefert eine grauenhaft nüchterne Alltagsschilderung des Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz, Rudolf Höß, seiner Frau Hedwig und ihrer fünf Kinder.

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Eine große Familie springt auf der grünen Wiese um einen kleinen Pool herum - dahinter ist ein KZ zu erkennen. Szene aus dem britisch-polnischen Spielfilm "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer © Leonine

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Schüsse, Schreie und das Dröhnen der Krematorien

Familie Höß lebt in einem geräumigen Haus mit idyllischem Garten voller Blumen und Gemüse - ganzer Stolz von Hedwig Höß. Ein Wohlstandsparadies, umgeben von einer Mauer, hinter der im Konzentrationslager Tag und Nacht Menschen ermordet werden. Nie wird gezeigt, was im Lager passiert, aber die Tonspur ist gnadenlos: Schüsse, Schreie und das Dröhnen der Krematorien sind allgegenwärtig.

Rudolf Höß ist ein biederer Familienvater, Hedwig Höß eine pragmatische Hausfrau. Beide nutzen jede Gelegenheit, die das System ihnen bietet, um ihre eigenen Lebensumstände angenehmer zu machen und ihr Ansehen zu steigern. Eine Blaupause der Banalität des Bösen.

Ein Mann steht in der Abenddämmerung vor einem Haus und raucht eine Zigarre © picture alliance Foto: ASSOCIATED PRESS | Uncredited
AUDIO: Oscar-Preisträger "The Zone of Interest": Die Macht der Geräusche im Film (4 Min)

Drehort hinterließ beim Filmteam bleibenden Eindruck

Gedreht wurde in Polen, zwar nicht im Original-Haus der Familie Höß, aber in gleicher Nähe zu Auschwitz. Das Vor-Ort-Sein war für den Schauspieler Christian Friedel sehr wichtig: "Dass man dort gedreht hat, macht etwas mit einem: dass man nie vergisst, welche Verantwortung man eigentlich hat. Wir alle verdrängen ja in unserem Leben, und manchmal ist es auch überlebensnotwendig - aber wir konnten den Fakt nicht verdrängen, was wir dort machen, wo wir dort sind, das zu spüren. Das war sehr wichtig für das gesamte Team."

Die Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe ununterbrochen Menschen getötet wurden, was im Alltag der Familie nie thematisiert wurde, war für Sandra Hüller allgegenwärtig: "Unsere Arbeit hatte immer etwas damit zu tun, dass wir das die ganze Zeit im Bewusstsein haben, während die das nicht im Bewusstsein hatten. Auf dieser Diskrepanz hat sich die ganze Zeit die Arbeit bewegt. Das war total interessant und so habe ich es ehrlich gesagt auch noch nie erlebt."

"The Zone of Interest" funktioniert nicht für alle

Es gibt nicht mehr viele, die den Holocaust er- und überlebt haben. Noch sind die Berichte der Zeitzeugen und die dokumentarischen Bilder im kollektiven Gedächtnis vornehmlich einer gewissen Altersgruppe vorhanden. Für sie funktioniert "The Zone of Interest" in seinem Nicht-Zeigen. Für alle anderen wird es problematisch.

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The Zone of Interest

Genre:
Historiendrama
Produktionsjahr:
2023
Produktionsland:
USA | Vereinigtes Königreich | Polen
Zusatzinfo:
Mit Christian Friedel, Sandra Hüller, Johann Karthaus u.a.
Regie:
Jonathan Glazer
Länge:
106 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
29. Februar 2024

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 26.02.2024 | 07:55 Uhr

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Spielfilm

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