Rosa von Praunheim: "Suche jemanden, der mir eine Million gibt"
Für Filmemacher Rosa von Praunheim ist der Kampf für die Rechte von Homosexuellen noch lange nicht vorbei. Bei DAS! erzählt er im NDR Fernsehen über aktuelle Projekte - unter anderem sucht er jemanden, der ihm Geld für einen Film über den jungen Adolf Hitler gibt.
Mit seinem Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" wurde er Anfang der 1970er-Jahre berühmt. Der Film wurde als Statement und Aufruf für ein Ende der Schwulen- und Lesbenunterdrückung verstanden und zur Initialzündung vieler Homosexuellenbewegungen. Rosa von Praunheims Filme "Die Bettwurst" (1971), "Stadt der verlorenen Seelen" (1983), "Überleben in New York" (1989) und viele andere wurden zu weltbekannten Kultfilmen.
Rosa von Praunheim: 80. Geburtstag auf dem Tisch gefeiert
Im Oktober hat von Praunheim seinen 80. Geburtstag in einer Berliner Galerie gefeiert. Umgeben von Bildern seiner Ausstellung (Titel: "Nackte Männer - nackte Tiere") ließ sich der Künstler von seinen Gästen feiern - allerdings mit einer besonderen Vorsichtsmaßnahme: "Wegen Corona hatte ich einen Stuhl auf dem Tisch, damit ich so ein bisschen separiert bin. Ich habe dann nur so gewunken. Ich wollte nicht umarmt werden, weil dann hätte man sich ja sofort etwas Tödliches einfangen können", erzählt der bekennende Hypochonder.
Kampf um die Rechte von Homosexuellen: "Müssen achtsam bleiben"
Schon seit über 50 Jahren führt der von Praunheim schon seinen Kampf für die Rechte von Homosexuellen. Sieht er sich mittlerweile am Ziel? "In Europa hat sich natürlich einiges wunderbar verbessert", so der Regisseur. Aber schon der Blick in die USA macht ihm Sorgen: "Gouverneur DeSantis in Florida will das Wort 'gay' ausmerzen und spricht sich gegen Transgender aus." Auch in Ländern wie Polen, Russland oder China sieht von Praunheim Rückschritte. "Wir müssen weiter achtsam bleiben - auch im Allgemeinen. Die Demokratie wird ja immer wieder in Frage gestellt. Es gibt überall einen Rechtsruck." Für ihn gilt daher nach wie vor: "Wir haben zu kämpfen."
Outing durch Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers (...)"
Von Praunheims eigenes Outing als Schwuler fiel mit der Veröffentlichung seines Films "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" im Jahr 1971 zusammen. Erst zwei Jahre zuvor war die Liberalisierung des Strafgesetzbuch-Paragrafen 175 in Kraft getreten. Praktizierte männliche Homosexualität unter Erwachsenen war fortan nicht mehr strafbar. Der Dokumentarfilm zeigte anhand verschiedener Protagonisten schwules Leben in Deutschland Anfang der 70er-Jahre. Von Praunheims Mutter schrieb ihm nach der Veröffentlichung zunächst einen Brief, in dem sie ihm zu einer Therapie riet, akzeptierte seine sexuelle Orientierung aber schließlich. "Mein Vater war von Anfang an positiver", erinnert sich der Regisseur.
Neben einer Vorführung auf einem späten Sendeplatz im WDR wurde der Film auch in Kinos gezeigt. Doch nicht alle Interessierten trauten sich, reinzugehen, erzählt der Filmemacher: "Die dachten, man identifiziert sie als Schwule, wenn sie in einen schwulen Film gehen. Viele warteten erst, bis es dunkel wurde - und dann strömten die Massen rein."
Startschuss für die Schwulenbewegung in Deutschland
Das Publikum sah dann einen Film, der sich kritisch mit den Schwulen auseinandersetzte. "Ich habe nicht gesagt: Ihr armen Schwulen, ihr habt es verdient, dass es liberaler wird", so von Praunheim. "Sondern: Ihr seid unpolitisch, ihr flüchtet euch in Glamour, einfach, um euch abzulenken. Ihr geht nicht auf die Straße, ihr outet euch nicht, ihr seid am Arbeitsplatz, zu den Eltern und so weiter nicht offen. Ich habe gefordert, dass sie sich öffentlich machen, um dadurch auch anderen Mut zu machen." Heute gilt "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" als Startschuss für die Schwulenbewegung in Deutschland. Auch international fand das Werk ein großes Echo, etablierte von Praunheim als Filmemacher. Bis heute hat er über 150 Kurz- und Langfilme gedreht.
Film über Rex Gildo: "Er war versteckt schwul"
Vergangenes Jahr produzierte er das Dokudrama "Rex Gildo - Der letzte Tanz", das in der ARD Mediathek zu sehen ist. Der Film erzählt halb fiktional, halb dokumentarisch das Leben des Schlagersängers. "Er war versteckt schwul und konnte sich nie outen", so von Praunheim. "In den 50er- und 60er- Jahren war es noch kriminalisiert, und später hatte er auch nicht den Mut dazu, weil er ja so als Frauenheld aufgebaut war." Dass Rex Gildo und sein Manager Fred Miekley über Jahrzehnte ein Liebespaar waren, wussten nur engste Vertraute. Um Gerüchten über sein Schwulsein zuvorzukommen, heiratete Gildo sogar seine eigene Cousine. "Viele Homosexuelle mussten damals heiraten, auch Kinder kriegen, um in der Gesellschaft anerkannt zu werden", so der Regisseur.
Für den Filmemacher ist "Rex Gildo - Der letzte Tanz" somit auch ein Zeitdokument. "Ich kenne diese schreckliche Zeit der 50er- und 60er-Jahre ja auch noch. Mir drohte in den 60ern ein Mitbewohner der Wohngemeinschaft, mich anzuzeigen - und ich hätte verurteilt werden müssen, so war die Gesetzeslage. Zwischen 1949 und 1969 sind doppelt so viele Schwule ins Gefängnis gekommen wie in der Nazizeit - nur, dass es kein KZ mehr gab."
"Die Bettwurst" als Musical in Berlin
Auch mit 80 steckt der Künstler noch voller Tatendrang und Ideen für neue Projekte. Er malt und schreibt bis zu zehn Gedichte am Tag. In Berlin hat er gerade das Musical "Die Bettwurst" auf die Bühne gebracht - basierend auf seinem gleichnamigen Kultfilm aus dem Jahr 1971, der bis heute wegen seiner Überdrehtheit polarisiert. Der Kultstreifen des Underground-Kinos wurde damals mit Mini-Budget komplett in Kiel gedreht: am Hafen, an der Förde und in der Wohnung von Luzi Kryn, der Tante des Regisseurs.
Auf der Suche nach einer Million
Zu seiner aktuellen Arbeit erzählt von Praunheim ansonsten: "Ich bereite gerade einen Film über den jungen Adolf Hitler vor. Der hatte auch sehr mit Homoerotik zu tun, mit seinem Jugendfreund. Aber die Fernsehanstalten haben ein bisschen Bammel, mir da Geld zu geben." Was die Förderung anbelangt, hat der Regisseur allerdings schon eine Idee: "Ich suche jemanden, der mir eine Million gibt. Ich habe ja eine begrenzte Lebenszeit und möchte noch zehn Filme machen." Von daher: "Wenn jemand eine Million übrig hat - es gibt ja einige, die haben zu viel Geld - würde ich das gerne annehmen und produktiv verteilen."
Performance zur eigenen "Beerdigung" am 16. Oktober
Für den 16. Oktober 2023 plant Rosa von Praunheim übrigens seine eigene Beerdigung - als künstlerische Performance, versteht sich. "Mich hat eines Nachts eine besoffene Astrologin angerufen und gesagt, ich werde nicht ewig leben." Sie hätte ihm erzählt, dass er kurz vor seinem 81. Geburtstag "sanft versterben" werde. Der Anruf brachte den Künstler sofort auf Ideen: "Wir haben schon eine Grabstelle gemietet auf dem St. Matthäus-Friedhof in Berlin. Und da werde ich mit meinen beiden Männern, mit Mike und Olli, zusammen begraben werden." Ihm schwebt dabei ein großes Fest mit vielen Gästen vor. "Wir können dann ja alle noch post mortem kreativ sein. Ich habe auch einen Film in Planung über die Frage: Gibt es Sex nach dem Tod? Ich glaube da auf jeden Fall dran." Man darf gespannt sein, mit welchen Ideen uns Rosa von Praunheim noch überraschen wird.