Katja Riemann: Charakterkopf mit Haltung
Katja Riemann ist mehr als nur eine Schauspielerin. Die gebürtige Niedersächsin singt auch und schreibt Bücher. Vor allem aber engagiert sie sich für Demokratie und Menschenrechte. Am 1. November wurde sie 60 Jahre alt.
Katja Riemann ist eine selbstbewusste und willensstarke Frau. Wahrscheinlich haftet ihr auch deshalb das Image einer Diva an. Sie sei "biestig" und "zickenhaft", heißt es oft, und meist wird auf ein inzwischen legendäres Interview in der NDR Sendung "DAS!" verwiesen, in dem sich Riemann vor zehn Jahren gegenüber Moderator Hinnerk Baumgarten übellaunig und nörgelig verhielt.
Doch natürlich wird man Katja Riemann, die in Kirchweyhe bei Bremen als jüngstes von drei Kindern eines Grundschullehrer-Paares aufwuchs, überhaupt nicht gerecht, wenn sie auf dieses eine Interview oder auf die eine oder andere schnippische Gegenrede reduziert wird. Denn die Schauspielerin zählt inzwischen zu den gefragtesten ihrer Zunft, hat jede Menge Preise eingeheimst und engagiert sich abseits ihres Berufs in hohem Maße sozial.
Preise und Ehrungen schon für die ersten Rollen
Schon während ihres Schauspiel-Studiums, das sie 1987 an der renommierten Otto-Falkenberg-Schule in München abschloss, erhielt Riemann ihr erstes Filmangebot: Als Hauptdarstellerin im sechsteiligen WDR-Fernsehspiel "Sommer in Lesmona" bekam sie 1988 den Grimme-Preis in Gold, ein Jahr später gab es für die Titelrolle im "Schimanski"-Tatort "Katjas Schweigen" die "Goldene Kamera".
Auch in den Folgejahren wurde Riemann nahezu für jede ihrer Rollen mit Preisen bedacht: Die "Lilli-Palmer-Gedächtniskamera" als beste Nachwuchsschauspielerin gab es 1991 für "Von Gewalt keine Rede", den Bayerischen Filmpreis 1994 für ihre ersten Kinorollen in "Ein Mann für jede Tonart" und "Abgeschminkt", außerdem einen "Bambi" für "Der bewegte Mann" und 1996 den Deutschen Filmpreis für "Stadtgespräch".
Kassenschlager wie "Fack ju Göthe" oder "Bibi Blocksberg"
Zwar war Riemann auch im Theater zu sehen - in Berlin im Schillertheater und im Maxim-Gorki-Theater -, aber die größere Bühne boten Film und Fernsehen. Die Schauspielerin wirkte in Kassenschlagern wie "Fack ju Göhte" oder "Türkisch für Anfänger" mit, drehte Dramen wie "Rosenstraße" oder Kinderfilme wie "Bibi Blocksberg". In "Bandits" stellte sie ihre Musikalität unter Beweis: Sie spielte Schlagzeug und wirkte neben den anderen Darstellerinnen entscheidend beim Soundtrack des Musikfilms mit.
Nur wenige deutsche Darstellerinnen haben ein solch breites Spektrum und kaum eine ist dabei so erfolgreich wie Riemann, die aus ihrer früheren Beziehung mit dem Schauspielerkollegen Peter Sattmann die gemeinsame inzwischen erwachsene Tochter Paula hat.
Auch musikalisch vielfältig
Riemann singt und schreibt auch und ist dabei ebenfalls nicht auf ein Genre festgelegt. Die deutschen Texte der Poplieder auf ihrem ersten Musik-Album ("Nachtblende") stammen überwiegend aus ihrer Feder. 2003 folgte ein Jazz-Album ("Favourites") auf Englisch. 2004 erschien "Ein Stück vom Himmel" mit Liedern jüdischer Komponisten der 1920er- und 1930er-Jahre. Riemann sang beim Konzertprogramm "Stars go swing" im Berliner Admiralitätspalast, aber auch beim Evangelischen Kirchentag 2007 in Köln.
Auch auf anderen Gebieten zeigt sich Riemann vielseitig: 1999 veröffentlichte die Schauspielerin ein Kinderbuch, 2017 stellte sie im Rahmen der NDR Lesereihe "Der Norden liest" Texte geflüchteter syrischer Autoren vor. Zum Weltfrauentag 2021 beteiligte sie sich an einem Videoprojekt, das für eine Regierungsbeteiligung der Grünen warb.
Soziales Engagement
Aber vor allem setzt sich Riemann für Demokratie und Menschenrechte ein. Sie prangert Kinderarmut, Kinderhandel und die Beschneidung junger Mädchen in Afrika an. Seit 2000 ist Riemann Botschafterin des UN-Kinderhilfswerks UNICEF. Für ihr Engagement erhielt sie 2010 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Wie sie hilft und "Amnesty International" oder die Lobby- und Kampagnenorganisation "ONE" unterstützt, hat sie eindrucksvoll im Buch "Jeder hat. Niemand darf" beschrieben. Darin geht es ganz konkret um Fragen wie "Wie päpple ich ein chronisch unterernährtes Kind hoch? Wie erzeuge ich mitten im Dschungel Strom? Wie funktionieren Mikrokredite?"
Differenzierte Weltsicht
Großen Respekt zollt die 60-Jährige vor allem der jungen Generation, wie sie im März diesen Jahres der "Berliner Morgenpost" sagte: "Wir können viel von jungen Menschen lernen. Wir müssen an ihrer Seite gehen, wenn es uns schon nicht gelungen ist, sie und ihren Lebenort zu beschützen", sagte Riemann.
Der Interviewer hatte wissen wollen, was sie an der heutigen jungen Generation "bemerkenswert" fände. Riemann begann mit einer Gegenfrage: "Welche Generation meinen sie?" Und holte dann aus: Grundschüler unter Corona-Bedingungen, junge Briten und der Brexit, junge Syrer oder Ukrainer im Krieg, junge "People of Color" in den US-Gefängnissen und und und... Das mag dem einen oder anderen wieder als schnippische Gegenrede vorkommen, es zeigt allerdings vor allem eines: Katja Riemann hat eine differenzierte Weltsicht.