Grimme-Preisverleihung: Fokus auf Feminismus und Migration
Zum 61. Mal hat das Grimme-Institut Produktionen mit dem renommierten Medienpreis ausgezeichnet. 16 Preise und drei Sonderpreise wurden im Theater Marl verliehen, fünf davon gingen an NDR Produktionen.
Inhaltlich lag der Schwerpunkt in diesem Jahr vor allem auf feministischen Themen und Migration - es war "ein Abend der starken Frauen", wie die neue Grimme-Chefin Çiğdem Uzunoğlu sagte. Moderatorin Jana Pareigis sprach von mehr als 700 Einreichungen, musikalisch unterlegt wurde der Abend von Helmut Zerlett und Band.
"Players of Ibiza": Verwebung aktueller Diskurse
Es wurden unter anderem fünf NDR Produktionen ausgezeichnet, darunter auch "Kroymann - Ist die noch gut?". Damit erhielt die Walsroder Schauspielerin Maren Kroymann zum vierten Mal den Grimme-Preis.
In der Kategorie Unterhaltung durften die Macher von "Players of Ibiza" einen Preis entgegen nehmen. Die Serie im Mockumentary-Style zeigt eine Reality-TV-Produktion, deren neue Staffel von Ibiza nach Buchholz in der Nordheide verlegt wird, wo die fünf Teilnehmer ein Feminismus-Bootcamp durchlaufen müssen, anstatt auf der Insel um eine Queen zu werben.
"Eine wilde Mediensatire, die sich nicht nur sehr unterhaltsam das Trash-Genre vorknöpft, sondern auch klug aktuelle Diskurse verwebt", so die Jury. Am Mockumentary-Format reize ihn vor allem die Authentizität, erzählte Bruno Alexander (Buch/Regie) bei der Preisverleihung. So hätten die Drehbücher die Serie nur grob umrissen und die Darsteller und Darstellerinnen viel improvisiert.
"Festmacher": Lob für das stille Tempo
Einen Preis in der Kategorie Fiktion gab es für die fünfteilige NDR Serie "Festmachen", in der die ehrgeizige Schiffsoffizierin Malika nach einem Unfall an Bord einen Sommer lang bei den Festmachern im Bremer Hafen arbeiten soll, die sie verachtet. Neben der großartigen Hauptdarstellerin lobt die Jury die fantastischen Bilder und das stille Tempo. Die Serie sei eine wunderbare Überraschung in diesem Jahrgang.
Auf das Thema sei Regisseurin und Autorin Hilke Rönnfeldt gekommen, weil sie selbst einmal als Festmacherin gearbeitet hat. Auch Hauptdarstellerin Salka Weber konnte vor dem Dreh im Rahmen eines "Festmacher-Trainings" praktische Erfahrungen im Hafen sammeln. Für das Serien-Format habe sich Rönnfeldt bewusst entschieden: "Es ist eine Gemeinschaft dort, wir haben viele verschiedene Figuren. Und da war die Serie das beste Format, um genügend Zeit zu haben, das ganze Ensemble zu erzählen."
Isabell Beer und Isabel Ströh: Besondere journalistische Leistung
Für ihre intensiven digitalen Recherchen zu sexueller Gewalt wurden Isabell Beer und Isabel Ströh mit dem Preis für Besondere journalistische Leistung ausgezeichnet. In zwei erschütternden Dokumentationen für NDR/Funk hatten sich die Journalistinnen einem Vergewaltiger-Netzwerk auf Telegram und Pädokriminalität im Netz gewidmet.
Die Jury würdigt die journalistische Hartnäckigkeit, Akribie und Professionalität, aber auch den respektvollen und sensiblen Umgang mit schweren Verbrechen und brutalen Inhalten. Gelobt wird auch die Transparenz, die daraus resultierende Glaubwürdigkeit und die hohen ethischen und juristischen Standards. Die Arbeit der Journalistinnen mache deutlich, dass solche Straftaten keine Einzelfälle seien, sondern strukturellen Problemen geschuldet: "Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Medien gesellschaftliche Missstände aufzeigen können", fand die Jury.
Publikumspreis für "Angemessen Angry"
Die RTL-Serie "Angemessen Angry" behandelt ebenfalls das Thema sexualisierte Gewalt. Sie gewann gleich zwei Grimme-Preise, einen in der Kategorie Fiktion sowie den Publikumspreis. "Der Grimme-Preis steht für inhaltlich tolle Stoffe, interessante Erzählungen und vor allem relevante Themen - und sexualisierte Gewalt ist eines davon", sagte Regisseurin Elsa van Damke, als sie den Preis entgegennahm. Die Serie sei von Betroffenen für Betroffene gemacht, der Stoff in dieser Erzählform aber auch neu gewesen. Daher appellierte sie an die Fernsehbranche: "Lasst uns unsere Geschichten mit unseren Perspektiven erzählen. Wir brauchen mehr weibliche und diverse Perspektiven."
Eine ähnliche Forderung kam von Clara Stella Hüneke, der Regisseurin von "Sisterqueens": "Ich möchte, dass Teilhabe weiter zur Politik in Deutschland gehört." Für ihre ZDF-Dokumentation hat sie vier Jahre lang junge Mädchen im gleichnamigen Berliner Rap-Projekt begleitet. Nun wurden dafür die Gelder gekürzt. "Diese Mädchen können nicht weiter Musik machen. Und das heißt, dass politische Teilhabe gerade für viele Menschen, besonders aber für mehrfach marginalisierte Mädchen, nicht möglich ist", so Hüneke.
Funk-Format ATLAS: "Eine Art 'Weltspiegel', nur in jung"
In der Kategorie Kinder & Jugendliche wurde das Nachrichtenformat "ATLAS" ausgezeichnet, das sich an Jugendliche und junge Erwachsene richtet. Es berichtet in 10- bis 20-minütigen Videos auf YouTube und in der ARD Mediathek von aktuellen Problemen und Konflikten auf der ganzen Welt. "Was 'ATLAS' in besonderem Maße auszeichnet, ist die Themenauswahl. Die Autoren und Autorinnen nehmen Regionen in den Blick, die anderswo viel zu oft vernachlässigt werden oder erst dann in den Fokus rücken, wenn es gerade brennt", heißt es in der Begründung der Jury.
Der Abend endete mit der Laudatio für Ulrike von der Groeben und Peter Kloeppel, die für ihre herausragenden journalistischen Leistungen vom Deutschen Volkshochschul-Verband geehrt wurden. Jahrzehntelang moderierten sie die Fernsehsendung RTL Aktuell. "Wir sind nach wie vor total überwältigt, froh, glücklich und stolz", freut sich Ulrike von der Groeben. "Etwas Schöneres kann es eigentlich gar nicht geben zum Abschluss eines Berufslebens", fügt Kloeppel hinzu.
