Szene aus dem Film "791 km" © Filmpresskit.de

Tragikomödie "791 Km" - Zum Zuhören im Taxi verdammt

Stand: 19.12.2023 07:00 Uhr

Im gelungenen Roadmovie "791 km" mit Iris Berben und Joachim Król macht sich eine Gruppe von unterschiedlichen Charakteren in einem Taxi auf den Weg von München nach Hamburg. Es wird viel geredet, gestritten, aber auch gelacht.

Szene aus dem Film "791 km" © Filmpresskit.de
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von Bettina Peulecke

Ein Herbststurm legt den Zugverkehr lahm und am Münchner Hauptbahnhof geht gar nichts mehr. Die Gestrandeten gehen mehr oder weniger locker mit der Situation um. Das junge Paar Tiana und Philipp etwa: Sie - klar analytisch, karriereorientiert und mit erkennbarem Hang zur Selbstoptimierung - muss unbedingt nach Hamburg, weil sie eine wichtige Präsentation halten will. Er - schluffig-entspannt - würde lieber im Hotel chillen. Da gibt's dann schon mal Streit.

Fünf unterschiedliche Charaktere auf engstem Raum

Aber immerhin gibt es bei der Bahn Fahrgutscheine. Und so kommt neben dem Pärchen auch die ökobewegte Alt-68erin Marianne mit zu dem Wagen, dessen eingeschaltetes Taxi-Schild Einsatzbereitschaft signalisiert, auch wenn das an dem grantigen Fahrer offenbar vorbeigegangen ist:

"Also, ich muss nach Hamburg."
"Ja, ich auch."
"Na, dann teilen wir uns doch das Ding."
"Raus aus meinem Taxi!"
"Wir haben Gutscheine."
"Scheiße." Filmszene

Auf das Geld möchte der Fahrer dann doch nicht verzichten. Außerdem war er eh auf dem Weg nach Bad Bramstedt, wie sich später herausstellen wird. Mit von der Partie ist auch noch ein zunächst schweigsames junges Mädchen in roter Daunenweste, das eigentlich alle fast übersehen haben, welches nun aber felsenfest in der Mitte der Rückbank sitzt.

Chancen der Annäherung

Szene aus dem Film "791 km" © Filmpresskit.de
Lena Urzendowski als Susi (l.) und Iris Berben als Marianne.

Und so machen sich die fünf grundverschiedenen Menschen notgedrungenerweise gemeinsam auf den Weg. Sie erfahren dabei Dinge über die anderen, die sie teilweise auch lieber nicht erfahren hätten. Da prallen verschiedene Lebensentwürfe und -philosophien aufeinander. Aber da es nun mal keinen Ausweg gibt, wird dem anderen auch zugehört. Es entstehen Gespräche und Sympathien, wo man sie nie vermutet hätte. Eine Chance der Annäherung, die im gesellschaftlichen Diskurs unserer Zeit viel zu oft auf der Strecke bleibt.

Alt-Hippie und emeritierte Soziologieprofessorin Marianne muss sich mit Existenzangst-besetzter Realo-Bodenständigkeit auseinandersetzen. Susi in der roten Daunenweste hat offenbar psychische Probleme, ist aber ebenso nervig wie liebenswert, und der politisch alles andere als korrekte Taxifahrer ist gar nicht so intolerant, wie es anfangs scheint.

"791 km": Gelungene Tragikomödie

Es wird viel geredet, gestritten, aber auch gelacht. Wie schon bei "Das Leben ist nichts für Feiglinge" hat der Drehbuchautor Gernot Griksch eine gelungene Tragikomödie verfasst. Joachim Król als Joseph und Iris Berben als Marianne führen die Besetzung zwar erfahrungsmäßig an, es ist aber vor allem Lena Urzendowski, die als Susi schauspielerisch zeitweise eine Führungsrolle übernimmt.

Im Entertainmentprogramm der Bahn wird man diesen Film wahrscheinlich in Zukunft nicht finden, denn bei reibungslosem Zugverkehr hätte es die Geschichte gar nicht gegeben. Insofern hatte ein unplanmäßiger Zugausfall dann auch mal eine positive Seite!

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791 km

Genre:
Drama | Komödie
Produktionsjahr:
2023
Produktionsland:
Deutschland
Zusatzinfo:
Mit Iris Berben, Joachim Król, Nilam Farooq u.a.
Regie:
Tobi Baumann
Länge:
103 Minuten
FSK:
ab 12 Jahren
Kinostart:
14. Dezember

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Filme | 27.11.2023 | 07:50 Uhr

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