Edward Berger über "Konklave" und Risse im Patriarchat des Vatikans
Der Wolfsburger Oscarpreisträger Edward Berger hat beim Filmfest San Sebastián seinen neuen Film vorgestellt, der nun ins Kino kommt. Die Robert-Harris-Buchverfilmung "Konklave" ist ein packender Thriller über Machtstrukturen im Vatikan.
Im September hatte der in Wolfsburg geborene Regisseur Edward Berger ("Im Westen nichts Neues") seinen neuen Spielfilm beim nordspanischen Filmfest in San Sebastián vorgestellt und danach mit NDR Kultur über den Film gesprochen. "Konklave" verfilmt den gleichnamigen Bestseller von Robert Harris. Wie bereits in seinem Vorgängerfilm, dem mehrfachen Oscar-Preisträger "Im Westen nichts Neues", spielen Männer die Hauptrollen. Berger erklärt, worum es im Film geht: "Es gibt verschiedene Fronten, die sich verhärtet haben und nicht mehr miteinander sprechen, sich im Grunde nicht mehr zuhören. Uns ist die Diskussionskultur abhandengekommen, bei der man voneinander lernen möchte."
"Isabella Rosselini steht für alles Feminine dieser Welt"
Den großen Szenenapplaus mitten in der Europapremiere im ausverkauften "Kursaal" in Spanien hat jedoch die einzige prägende weibliche Nebenrolle erhalten - nämlich die italienische Schauspielerin Isabella Rossellini. Sie hält als Nonne einen Monolog vor den mächtigen Kardinälen des Konklave, um Gerechtigkeit walten zu lassen. "Isabella steht für alles Feminine in dieser Welt. Und am Ende des Filmes gibt es einen kleinen Riss in dem Fundament dieses Patriarchats. Durch diesen Riss scheint ein sanftes Licht herein. Und dieses Licht repräsentiert die Hoffnung auf Veränderung", meint Regisseur und Produzent Berger.
Denn beim Konklave geht es darum, dass die Kardinäle nach dem Tod des früheren Papstes nun in der Sixtinischen Kapelle einen neuen Papst wählen müssen. Die Aufsicht über das Konklave hat Kardinal Lawrence, brillant gespielt von Ralph Fiennes. "Er ist ein fantastischer Schauspieler. Was er spielt, ist wirklich magisch, denn er lädt mich ein in seine innere Welt. Er lässt mich in seine Seele sehen", genau das brauche diese Rolle, meint Berger. "Er schweigt viel und hört viel zu, ist ein eher stiller Mensch zwischen viel Gerede. Ich saß häufig hinter der Kamera und dachte, dass es meine Aufgabe wäre, diese Magie einzufangen, und bloß keinen Tropfen zu verschütten, damit ich sie weiter an die ZuschauerInnen reichen kann."
Fünfte Zusammenarbeit Edward Bergers mit Volker Bertelmann
Die Kamera kreist um die strenge Abfolge der Rituale, die Abgeschlossenheit der Männer im Vatikan und beim Abstimmen in der Sixtinischen Kapelle. Nichts darf von außen zu ihnen hereindringen und die Wahl beeinflussen. Doch Tag um Tag geht nur der schwarze Rauch aus dem Schornstein auf, der signalisiert: Noch ist kein neuer Papst gefunden. Dann dringt die Außenwelt jedoch mit Macht herein - danach geht die Abstimmung unter neuen Vorzeichen weiter. "Es ist natürlich ein heiliger, ein massiver, ein großer Ort, der von Spannung lebt", sagt Berger über die Sixtinische Kapelle. "Wenn die Menschen dort eingesperrt sind und sich gegenseitig beäugen, sind das Szenen, die man über lange Strecken hinweg still inszenieren kann. Es geht dabei vor allem um die Blicke zwischen den Kontrahenten. Die rauschenden Massen auf dem St. Petersplatz wehen nur aus weiter Ferne herein."
Dazu klingen die ominösen Streicher, für die erneut der Oscar-prämierte Musiker Volker Bertelmann komponiert hat. Es ist die fünfte Zusammenarbeit der zwei deutschen Künstler: "Bei diesem Film haben wir sehr lange nach dem richtigen Thema gesucht, da ich keine Musik für den Rohschnitt unseres Films finden konnte, die Volker (Bertelmann) einen Eindruck der Tonalität hätte geben können. Er musste also etwas erfinden. Das war ein langer Prozess - mir gefiel, dass die Musik dabei immer kantiger wurde."
Packender Thriller um "Machtspiele hinter verschlossenen Türen"
Edward Berger bleibt bei dem packenden Thriller, der auch die Themen Missbrauch und die Ungleichheit der Geschlechter in der katholischen Kirche nicht ausspart - dicht am Geschehen. Er zeigt über zwei Stunden, wie sich die Dynamik der Stimmen täglich verändert: "Dieser Film handelt von den Machtspielen hinter verschlossenen Türen", sagte der Regisseur und Produzent beim spanischen Filmfest. "Es geht nicht um Religion", er spiele im "ältesten Patriarchat der Welt". Es hätte genauso gut in der Welt der Politik oder des Sports spielen können.
Über die Beziehung zu Romanautor Robert Harris
Edward Berger erzählt, er habe die Produktion nach dem Roman von Peter Harris gedreht: "Harris ist ein grandioser Rechercheur, der sich sehr gut auskennt und viele Kontakte hegt zum Vatikan, die wir allesamt genutzt haben." Das Drehbuch stammt jedoch von Peter Straughan ("König, As, Spion"). Der Film wurde an vielen verschiedenen Stellen in Rom gedreht - und große Teile im legendären römischen Studio Cinecittá: "Die Menschen in Rom leben ganz anders mit dem Katholizismus und dem Vatikan. Das ist für die Römer dort ständig präsent. Sergio Castellitto ist aufgewachsen mit dem Blick auf den Palast des Papstes. Das schafft eine ganz andere Beziehung zu der Religion. Wir haben versucht, diese Atmosphäre in den Film zu übertragen."
Seinen nächsten Film - mit Tilda Swinton und Colin Farrell - hat Edward Berger übrigens bereits abgedreht. Für die Dreharbeiten hat es ihn nach Asien verschlagen, nach Macao in China. "Das ist ein Film über einen Spieler - Macao ist eine große Spielstadt. Colin Farrell ist auf der Flucht, verfällt dort seiner Spielsucht und wirft sein Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus."