Surreal, beklemmend und mit "Virtual Reality": "Mädchenmörder :: Brunke"
1905 erschoss der 17-jährige Karl Brunke zwei junge Frauen - offenbar auf deren Wunsch. 90 Jahre später befasste sich der Schriftsteller Thomas Brasch mit dem Mordfall. Der geradezu obsessiven Verbindung Braschs zu Brunke widmet sich das Stück "Mädchenmörder :: Brunke", das am 27. Januar Premiere am Staatstheater Braunschweig Premiere feierte.
Ein gründerzeitlicher Tisch, darüber ein großbürgerlicher Kronleuchter, unter dem ein gehetzt wirkender Mann auf und ab läuft. Lederjacke, unordentliches Haar, verbeulte Jeans. Typ: vergeistigter Literat. Der Mann, verkörpert von Schauspieler Götz van Ooyen, spricht zunächst noch aus neutraler Beobachterposition davon, wie sich der Autor Thomas Brasch fast wahnhaft mit dem Mörder Karl Brunke auseinandersetzt.
Schon bald aber scheint die Figur, die hier spricht, selbst zu Brasch zu werden. Der in einer imaginären Lesung in Braunschweig - die der reale Autor übrigens nie gegeben hat - aus seinem fragmenthaften Roman "Mädchenmörder Brunke" zitiert.
Figuren und Zeitebenen überlagern sich
Der Einleitungsmonolog nimmt vorweg, was den Rest des Stücks bestimmen wird: das Überlagern von Figuren und Zeitebenen. Im nächsten Bild machen wir Bekanntschaft mit Brunke, jenem Mörder, dessen Geschichte Brasch so massiv in den Bann zog, dass er jahrelang darüber forschte und nachdachte, und seine Gedanken dazu auf mehr als 10.000 Manuskriptseiten niederschrieb.
Das Stück zeichnet Brunke, als einsamen, getriebenen Menschen, der sich als Künstler verkannt fühlt, und am Ende aus einer Art Weltschmerz und Minderwertigkeitskomplex heraus von zwei jungen Frauen der Oberschicht überreden lässt, sie umzubringen. Regisseur Bernhard Mikeska vom Theaterkollektiv "Raum + Zeit" geht es darum, die Gemeinsamkeiten Braschs und Brunkes herauszuarbeiten.
Beklemmendes Stück mit traumartiger Parallelwelt
Das beklemmende Stück erzeugt einen surrealen Bann, einen eigenartigen Sog, der einen hineinsaugt in eine traumartige Parallelwelt, in der irgendwann nicht mehr klar ist, wer da eigentlich spricht, sagt Götz van Ooyen, der mit Brasch und Brunke eine Doppelrolle ausfüllen muss und ständig zwischen beiden Figuren hin- und herpendelt: "Es verschränkt sich immer mehr. Die Wechsel zwischen den Figuren werden immer kürzer. Irgendwann weiß weder das Publikum noch Thomas Brasch selber, ob er noch Thomas Brasch oder schon Karl Brunke ist - und er kommt aus diesem eigenen Kosmos nicht mehr raus."
Publikum wird per VR Teil der Geschichte
Inszenatorisch wählt das Theaterkollektiv "Raum + Zeit" einen spannenden Ansatz. Einerseits ist das Stück "Mädchenmörder :: Brunke" konventioneller Theaterabend mit Schauspielern auf der Bühne. Immer wieder jedoch werden die Zuschauenden aufgefordert, VR-Brillen aufzusetzen.
"Das Besondere ist, das wir nicht irgendwoanders hingehen, sondern dass man immer in dem Kosmos bleibt. Man wird zu einer Figur, von den Figuren, die man vorher gesehen hat und steht plötzlich einer anderen Figur aus dem Stück gegenüber - und die spricht mit einem. Man kommt also in eine Eins-zu-Eins-Situation und wird sozusagen unmittelbar Teil der Geschichte", erklärt Mikeska.
All das ist nicht gerade fröhliche Kost. Man muss sich schon einlassen, auf diesen mitunter verstörenden, verwirrenden Theaterkosmos.
Surreal, beklemmend und mit "Virtual Reality": "Mädchenmörder :: Brunke"
Das Publikum am Staatstheater Braunschweig wird dank VR Teil des Stücks, in dem es um einen Schriftsteller und einen Doppelmörder geht.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Staatstheater Braunschweig
Am Theater
38100 Braunschweig - Preis:
- ab 15 Euro