"Blutbuch" von Kim de l'Horizon feiert in Hannover Premiere
2022 gewann Kim de l'Horizon den Deutschen und den Schweizer Buchpreis für "Blutbuch". Jetzt hat die autobiografische Geschichte der nonbinären Person ihre deutsche Erstaufführung am Staatstheater Hannover gefeiert.
Eine ältere Dame ganz in Rot setzt sich auf einen braun/weißen Stuhl und steckt sich ein Bonbon in den Mund. Das schmeckt ihr jedoch nicht. Sie spuckt es ins Papier und gibt es ins Publikum. Aus dem Nichts startet das Stück "Blutbuch" im Cafe des Theaters Ballhof Eins. Dann folgt eine Drag-Einlage auf die nächste - immer mit der passenden Musik im Hintergrund.
Das Publikum im Saal schmunzelt und auch die Besucher des Hannover-Weihnachtsmarktes, der am Schauspielhaus vorbeiführt, gieren durch die Scheiben - mal neugierig, mal kopfschüttelnd. Die perfekte Einstimmung auf das weitere Stück. Dazu müssen alle umziehen, eine Etage höher zur Bühne.
"Blutbuch": Es geht im Buch und auf der Bühne um Befreiung
Unter anderem diese Drag-Queen-Einlage kam nicht in der Buchvorlage vor. Das findet Autor*in Kim de l'Horizon aber nicht schlimm, im Gegenteil: "Das war für mich schon mal eine große Freude, weil es schon mal lustvoll, spielerisch und perfomativ angefangen hat. Sie haben den Geist des Buches ernstgenommen und verstanden, dass es um Befreiungen geht und sie sich auch von diesem Text befreit haben."
Im Saal erfahren die Zuschauer durch eine Todesanzeige, die an die Bühnenwand geworfen wird, dass die Großmutter vom Ich-Erzähler Kim verstorben ist und dass es in der Familiengeschichte Dinge gibt, über die nicht offen gesprochen wird, die nicht akzeptiert werden.
Publikum und Darstellende verschmelzen zu einer Community
Wir reisen in die Kindheit von Kim de l'Horizon. Das Ich verkörpern gleich drei Schauspielende, alle ebenfalls queer, erzählt Regisseur Ran Chai-Bar-zvi: "Das war mir schon wichtig. Es geht nicht um Ausgrenzung, aber es geht darum, dass die Leute, die auf der Bühne stehen, sich selbst repräsentieren und sich in dem Stoff wiedererkennen." Man merkt, dass dieses Leid der Schauspielenden, diese Scham, aber auch dieser heroische Triumph des sich Immer-Wieder-Aus-Zwängen-Befreiens, echt ist. Ein wahrer Gänsehaut-Moment, als Kim herausfindet, was die Großmutter im Kleiderschrank hat - nämlich Mädchenkleider.
Da zerreißt es nicht nur Kims kindliche Seele auf der Bühne, sondern lässt auch das eigene Herz zusammenkrampfen. Am liebsten würde man eingreifen, aber das Stück läuft gnadenlos weiter und das Kleid wandert zurück in den Schrank. Am Ende folgen minutenlanger, tobender Applaus und Standing Ovations. Das Theaterstück "Blutbuch" kann für sich selbst stehen. Aus dem Stoff, aus dem Leben von Kim de l'Horizon gewebt und durch die Erlebnisse der Schauspielenden angereichert, schafft es die Aufführung für einen Moment, dass das Publikum und die Darstellenden zu einer Community verschmelzen.
"Blutbuch" von Kim de l'Horizon feiert in Hannover Premiere
Ran Chai Bar-zvi und Michael Letmathe haben Kim de l'Horizons "Blutbuch" für die Bühne bearbeitet. Nun hat das Stück in 'Hannover Premiere gefeiert.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Staatstheater Hannover
Opernplatz 1
30159 Hannover - Telefon:
- +49 511 9999 1111
- E-Mail:
- kartenservice@staatstheater-hannover.de
- Preis:
- 22 - 26 Euro; erm. ab 5 Euro