Improclub am Mecklenburgischen Staatstheater: Ein Probenbesuch
Spontaneität am Theater kann man üben: Das macht die Laiengruppe des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin jede Woche nach dem Motto: "Mach mir ein Angebot und ich mach dir eine Szene". Ein Besuch im Theater.
Wie proben Schauspieler für einen Bühnenauftritt, wenn bis zum Schluss nicht feststeht, was gespielt wird? Beim Improvisationstheater entsteht alles aus dem Stegreif - kurze und längere Stücke, einzeln und in der Gruppe. Aber Spontaneität ist kein Zufall, man kann sie üben. Das macht die Laiengruppe des Mecklenburgischen Staatstheaters jede Woche. Geprobt wird für den ersten Auftritt im Großen Haus.
Kein Sport ohne Aufwärmen. Das gilt auch für den Theatersport. Auf Kommando sollen die Teilnehmer in verschiedenen Tempos durch den Raum laufen, Schultern lockern, Hände schütteln. Den eigenen Tagesablauf vor sich her erzählen.
Improvisationstheater - nicht, ohne vorher aufzuwärmen
"Mach mir ein Angebot und ich mach dir eine Szene": Diesen Schlachtruf aus dem Improvisationstheater haben auch die 15 Mitglieder des ImproClubs verinnerlicht. Sie gehören zu einem der neun Mitmach-Ensembles am Staatstheater in Schwerin. Theaterpädagogin Reinhild Köhncke leitet das erste Spiel an: "Eine Person kommt auf die Bühne und fängt an, eine Szene zu spielen. Wenn eine zweite Person klatscht, muss die Person auf der Bühne einfrieren, und die zweite Person etabliert dann eine völlig neue Szene. Dann geht das so weiter, es kommt eine dritte Person, neue Szene, vierte Person, fünfte Person, immer neue Szenen. Dann muss die fünfte Person wieder abgehen und man switcht zurück in die Szene, die davor lief."
Im Probenraum startet ein Spieler mit der Suche nach einem Koffer, durch einen Mitspieler wird daraus ein Sauna-Besuch ohne Kontaktlinsen, mit der dritten Mitspielerin ein Bodybuilding-Wettbewerb. Bis die Bühne voll ist, und sich dann Stück für Stück wieder leert. Mit Zurufen und eigenen Ideen etwas kreieren, diese Fähigkeit fasziniert den Schweriner Karsten Rönck seit zwei Jahren: "Der absurdeste Ort, den ich jemals hatte, wo eine Szene gestartet ist, war im Zahnzwischenraum. Die Szene kam aus dem Publikum und du musst halt ja sagen, zu allem ja sagen. Wenn deine Kollegen zu dir sagen: Bist du nicht der mit dem blauen Auto? Dann antwortest du: Ja genau, der bin ich."
Laiendarsteller eint die Leidenschaft fürs Theater
Die Laiendarsteller sind Gastronomen, Pastoren, Autoren. Sie eint die Leidenschaft fürs Theater und sie suchen darüber auch einen ganz besonderen Zugang zu sich, zu anderen, zur Welt. So auch Christian von Thomsen, von Beruf Psychologe: "Ich bin ein spontaner Mensch. Aber das macht total Spaß, weil ich hier auch nicht perfekt sein muss sondern ich kann auch einfach Quatsch machen. Das ist cool."
Ab den 60er-Jahren entwickelte der britisch-kanadische Dramaturg Keith Johnstone diese turbulente und kurzweilige Form der Bühnenkunst. Zunächst als Training für Schauspielstudenten gedacht, verbreiteten sich seine Bücher und Theaterspiele weltweit. Sie zeigen: Kreativität lässt sich spielerisch lernen. Aber: Es ist auch ganz schön anstrengend, sagt Pädagogin Reinhild Köhncke: "Das ist ein bisschen wie Sport. Du musst trainieren, wie ein Sportler auch. Dann wirst du immer besser und besser und kannst irgendwann im Tor bestehen, dass kein Ball mehr durchkommt. Einfach die Gedanken ausschalten. Wenn du anfängst, zu überlegen, was spiel ich jetzt, was mach ich jetzt, mir fällt nichts ein: Dann blockierst du innerlich, dann ist es total schwer. Und manchmal passiert das auch, dass man auf die Bühen geht und nichts weiß, und dann ist man sehr glücklich darüber, dass man nicht alleine ist und dann passiert es einfach, dass man aufeinander reagiert und eine Szene entsteht."
Mitmachen beim ImproClub kann im Prinzip jeder, der offen ist für Neues. So wie dieses werden alle Angebote am Mecklenburgischen Staatstheater pädagogisch begleitet. Die Projekte, mit denen sich das Theater auch für Kinder oder Senioren öffnet, sind gerade sehr beliebt. "Wir haben für alle Clubs tatsächlich Wartelisten, was ganz toll ist, aber natürlich auch schwierig für die, die das so gerne machen möchten - die Nachfrage ist riesig. Und wir können leider nicht alles erfüllen, würden wir gerne, aber geht eben nicht", erzählt Köhncke.
Impro bedeutet auch: Einmal gespielt, verschwinden alle Szenen unwiderruflich, sie verhallen im Probenraum. Damit sich das ändert, geht es Anfang März erstmals auf die Bretter des Großen Hauses.
Die Improgruppe aus Schwerin und die Rostocker Kollegen der "Haspler" treten am 2. März im Großen Haus des Staatstheaters auf. Beginn ist um 20.30 Uhr und es gibt noch Karten.