Schauspielhaus Hamburg: Viel Applaus für "Die Maschine"
Das Goethe-Gedicht "Über allen Gipfeln ist Ruh" ist Grundlage für ein Hörspiel, das nun fünfzig Jahre später erstmalig von Anita Vulesica am Hamburger Schauspielhaus als Theaterstück auf die Bühne gebracht wurde.
Das Thema könnte aktueller kaum sein. Kein Tag vergeht, ohne dass Chancen und Risiken von KI, von künstlicher Intelligenz, und das Verhältnis von "Mensch" und "Maschine" diskutiert werden. Im Schauspielhaus wird das Publikum zurückkatapultiert in die 1960er-Jahre.
Wir blicken mitten hinein in eine Art Computer: Vor einer riesigen, aus silbernen Röhren bestehenden Wand stehen auf verschiedenen Ebenen fünf gläserne Tische, versehen jeweils mit einem fetten roten Buzzer. Dahinter vier Männer und - ganz oben - eine Frau, alle im gleichen beige-mint-farbenen Outfit. Die Frau fragt: "Speicher in Aufnahmebereitschaft?", die Männer unter ihr antworten: "Aufnahmebereit". Nach allen Regeln der Maschinenkunst werden Goethes berühmte Verse geprüft und zerlegt, aufgesplittert nach unterschiedlichsten, mathematischen Prinzipien. Der Sinn spielt dabei keine Rolle. Was bleibt? Teilweise nicht viel.
"Die Maschine": Lob und Kritik vom Publikum
Eine Besucherin meint: "Ich fand es sprachlich sehr interessant, auch diese Kombination zu KI." Am Ende tosender Applaus, Bravorufe und doch: Über weite Strecken ist dieser Abend vor allem ein virtuos gesprochenes, manchmal gesungenes Hörspiel, das optisch aufgepeppt wird.
So entwickelt die Maschine zunehmend ein Eigenleben: Die Körper geraten in Bewegung, Helme werden aufgesetzt und irgendwann Geweihe - schließlich spielt der Wald ja eine Rolle im Gedicht?! Die so gehörnten tanzen die Verse, "contemporary body movement" nennt sich das, vor einer Leinwand mit Wüstenlandschaft. Vom Bühnenhimmel fallen immer mal wieder tote Fische. Der Klimawandel? Ziemlich schräg. So findet auch ein Zuschauer: "Ich war so ein bisschen verloren unterwegs und hab den Sinn nicht ganz verstanden."
Text zeigt, was Poesie bedeuten kann
Der Text von Georges Perec zeigt auf beeindruckende Weise, was Sprache, was Poesie bedeuten kann. Wie sie entsteht. Allein mit Logik ist sie nicht zu reproduzieren. Regisseurin Anita Vulesica setzt durchaus folgerichtig auf die Kraft des hier betont altertümlich Analogen und folgt Perecs Spielereien lustvoll, lässt ihn außerdem selbst als Figur auftreten und allerlei erläutern: "Am Anfang kann man nur versuchen, die Dinge zu benennen - denken und ordnen. Ein Wort nach dem anderen."
Später wirkt er fast wie eine Art "Gott der Maschine". Damit gelingt nicht jedoch wirklich ein Blick über den Ursprungstext hinaus. Der macht auch heute noch viel Spaß, obwohl sich seit 1968 so viel getan hat in der Forschung. Dass der Abend das gar nicht in den Blick nimmt, verwundert. Statt dessen spuckt das Lochkartengerät am Ende minutenlang Papier aus.