80 Jahre "Holiday on Ice": Premiere für "No Limits" in Hamburg
80 Jahre Geschichte schreibt die Eisrevue "Holiday on Ice". Donnerstag hat die Jubiläumsshow "No Limits" Premiere in Hamburg gefeiert. Sie erzählt die Geschichte eines Liebespaares im digitalen Zeitalter der Computer-Spiele.
Pünktlich um 19 Uhr startet die neueste Show von "Holiday on Ice" in der Hamburger Barclays Arena mit einem Countdown. Eine nüchterne Computerstimme spricht zum Publikum: "Bitte entfernen oder justieren Sie ihr Headset nicht, während wir ihre personalisierten Lebensersatzszenarien kalibrieren." Der Zuschauer befindet sich also mitten in einer kühl anmutenden Virtual Reality Show. Es folgen Eisläufer in Uniformen, die mit ihren Taschenlampen das Publikum blenden. Willkommen fühlt man sich zu diesem Zeitpunkt nicht. Doch das wird sich noch ändern.
Alte Liebesgeschichte im digitalen Gewandt
Die Geschichte von "No Limits" dreht sich um Flynn und Sadie, die einander begegnen und dann durch verschiedene Computer-Level tanzen. Sie sind voneinander angezogen, arbeiten aber gegeneinander. Unterschiedlichste Welten werden durchgetanzt: Wilder Westen, Strandidylle, Gladiatoren-Arena, Schachbrett. Das Farbenspiel wechselt je nach Level radikal, ebenso die populären Songs und mit ihnen die Atmosphäre. Langweilig wird das nicht. Die Tänzerinnen und Tänzer auf dem Eis zeigen akrobatische Hebefiguren, Sprünge, fliegen an Tüchern und Seilen über dem Eis. Sie erzählen die turbulente Geschichte der Verliebten.
Zuckerwatte für das Publikum
Nachdem es akrobatisch hoch hinaus ging, folgt die Bodenhaftung. Mit Surfboards gleiten Männer auf dem Bauch über die Eisfläche, andere liegen sekundenlang bewegungslos auf dem Eis. Der gesamte Raum, der zur Verfügung steht, wird ausgenutzt: eben grenzenlos. Und nicht einmal die Eis-Bühne begrenzt das Handlungsfeld der Akteure.
Mit Kanonen schießen sie T-Shirts in das erfreute Publikum. Verlassen die Eisfläche, um Zuckerwatte zu spendieren. Diese wird von einer Tänzerin ins Publikum gereicht, die selbst ausschaut als habe sie ihren Kopf in die Zuckertrommel gehalten. Das macht gute Laune. Leider sind es nur kurze Momente, in denen das Publikum mitgeht. Mehrfach animieren die Akteure das Publikum zu applaudieren.
Vanessa Mai animiert das Publikum erfolgreich
Besonders erfolgreich gelingt die Animation Schlager-Sängerin Vanessa Mai. Zum Jubiläum wagt sie sich gleich mit zwei ihrer Songs, aber ohne Schlittschuhe, aufs Eis. In ihrem Alter sei sie "gescheit" genug, erklärt die 31-Jährige, sich auf den Gesang zu konzentrieren und nicht auch noch dazu auf dem Eis zu tanzen.
"Holiday on Ice" habe sie als kleines Mädchen schon verzaubert: "Die Eiskunstläuferinnen schwebten in ihren wunderschönen Kostümen über das Eis und ich war wie gefesselt. Seitdem wusste ich: Tanzen, singen, performen, das ist meine Welt." Die Entertainerin fordert das Publikum dazu auf, die Lampen ihrer Handy-Kameras zu aktivieren und das gelingt. Die Sitzreihen sind für einen Moment erleuchtet.
80 Jahre Prominenz auf dem Eis
Vor Vanessa Mai trugen bereits viele Stars zur Eisrevue bei. 2011 rockte zum Beispiel Popsängerin Sarah Connor in der Show "SPEED" die Eis-Bühne. "Gimme Some More" und "Gone" heißen die Titel, die sie zur Show beisteuerte. Eiskunstlauf-Legenden wie Marika Kilius, Hans-Jürgen Bäumler, Katarina Witt und Tanja Szewczenko waren schon an den Shows beteiligt. Nun tourt die Eis-Show mit sieben 40-Tonnern erneut durch die Bundesrepublik.
Kreative Köpfe hinter der Show
Jedes Jahr kommt die Eisrevue nach Hamburg und jedes Jahr verspricht sie neue, beeindruckende Effekte auf dem Eis und drum herum. In diesem Jahr - zum 80. Jubiläum - sollte es eine Show der Superlative werden. Dafür stehen Kreative wie der Choreograf Christopher Dean oder Kostümdesigner Michael Sharp, der bereits internationale Größen wie Jennifer Lopez, Katy Perry, One Direction, Coldplay, Brad Pitt und Angelina Jolie ankleidete. In diesem Jahr wurde von CEO Peter O'Keeffe eine besonders effektvolle neue Lichtgestaltung angekündigt, die von Lichtdesigner Tim Routledge entwickelt wurde. Auch er arbeitete bereits für Weltstars wie The Spice Girls, Beyoncé, Sam Smith, Florence & The Machine oder Take That.
Das Geheimnis der neuen Lichtshow: Durch viele kleine mit LEDs ummantelte Kugeln, die an Kabeln über dem Eis hängen und einzeln steuerbar sind, entsteht ein Lichtdesign, das 3D-Effekte erzeugt. Produktionsleiter Peter Koschmieder erklärt: "'No Limits' ist die technisch aufwendigste Show, die wir bislang produziert haben." Nicht nur spektakulärer, auch schneller ist die Technik geworden. So ist es möglich, dass zwischen den Städten vier Tage Umzug liegen. Der Eis-Einbau dauert mittlerweile nur noch 48 Stunden.
"Holiday on Ice" baut(e) Brücken
Als erstes westliches Showprojekt war "Holiday on Ice" im Rahmen eines Kulturaustausches 1959 zu einem Gastspiel nach Moskau eingeladen. Es folgten Auftritte in weiteren Ländern der Sowjetunion. In der DDR gastierte die Show erstmals 1987. Untrennbar mit dem Markennamen verbunden ist seither die zweifache Olympiasiegerin und vierfache Eiskunstlauf-Weltmeisterin Katarina Witt. Nach ihrer Wettkampf-Karriere ab 1988 tourte sie dreizehn Jahre lang mit "Holiday on Ice" durch die Welt - eine ungewöhnliche Karriere für eine DDR-Sportlerin.
1989 verriet Katarina Witt in einem ZDF-Interview, dass sie sich bei der Eisrevue nicht mehr vorwiegend als Sportlerin, sondern als Künstlerin begreife: "Es ist eine Show, in der ich jetzt bin. Es kommt weniger auf die sportlichen Elemente an. Es kommt darauf an, dass es den Leuten gefällt. Und das ist für mich Kunst." Eiskunstlaufen ohne Richter ist für die Tänzer und Tänzerinnen ein anderes Vergnügen. Vielleicht ist das der Grund, warum es in der Geschichte immer wieder Medaillengewinner, Welt- und Europameister wie Marika Kilius, Hans-Jürgen Bäumler, Norbert Schramm und Tanja Szewczenko in den erfolgreichen Eis-Zirkus zog.
Eis-Show im Wandel der Zeit
Seit eine kleine Gruppe Eisläufer im Winter 1943 im US-Bundesstaat Ohio die erste Eis-Show auf einer Hotelbühne vorführte, hat sich viel getan. Ein Selfmade-Unternehmer namens Morris Chalfen, der bis dahin Rollschuhshows organisiert hatte, entdeckte das Potenzial von "Holiday on Ice". Er nutzte die Anfang der 1940er-Jahre erfundenen transportablen Eismaschinen und baute die einstige kleine Hotelshow zum professionellen Eis-Event aus.
Dabei kam ihm die 1948 konstruierte Erfindung des mobilen Verfolgerscheinwerfers, der sogenannte "Super Trouper" zugute, der erstmals für "Holiday on Ice" entwickelt wurde. Er wurde zum Export-Schlager für Bühnenshows. Es folgten immer aufwendigere Licht-Elemente, offene Flammen, Pyrotechnik und später Lazer. Auch in der neuen Show wird offenes Feuer eingesetzt. Bei "No Limits" scheint die Eisfläche zu brennen.
Aufwendigste Show mit sieben 40-Tonnern
"Holiday on Ice" tourt heute mit zwei Shows gleichzeitig - der vorjährigen und der neuen. Gastspiele finden außerhalb Deutschlands in Österreich und Frankreich statt. Für "No Limits" zieht ein Fuhrpark aus sieben 40-Tonnern durchs Land. Darin steckt modernste Technik wie Projektoren, die 3D-Hologramme erzeugen oder LED-Wände, die in den neuen Shows zum Einsatz kommen.
30.000 Kostüme in 80 Jahren
In der 80-jährigen Geschichte von "Holiday on Ice" wurden über 30.000 Kostüme entworfen. Das teuerste Kleid darunter wurde von Christian Dior für die Eiskunstläuferin Marika Kilius konzipiert. Mit 30.000 Schweizer Franken war es damals das teuerste jemals für eine Eis-Show entworfene Kostüm.
Auch deutsche Modedesigner wie Rudolph Moshammer, Harald Glööckler und Thomas Rath kreierten Kostüme für die Show. Moshammer entwarf ein eisblaues Kleid mit 7.000 Glitzersteinen zum 60. Jubiläum. Zur "Latinum"-Show 2013 lieferte Glööckler sieben Kostüme und Designer Rath entwarf Kostüme für die "Time"-Show von 2016.
Mit jeder neuen "Holiday on Ice"-Show entsteht ein neues Kostümbild. Die mehr als 300 Kostüme und passenden Schmuckteile für die Jubiläumsshow kreierte der Designer Michael Sharp. Der Brite arbeitete bereits für Jennifer Lopez, Katy Perry, One Direction oder Coldplay. "Bei 'No Limits' tauchen wir immer wieder ein in neue, bunte Welten - das spiegelt sich natürlich auch in den Kostümen wider und macht das Projekt für mich zu etwas Besonderem, weil meiner Kreativität keine Grenzen gesetzt sind", erzählt der Kostümdesigner.
Zahlreiche Rekorde fürs Guinness-Buch
Von der ersten Idee bis zum fertigen Kostüm dauert es bis zu einem Jahr. Dabei entstehen die Entwürfe in enger Zusammenarbeit mit Bühnenbildnern, Lichtdesignern und Choreografen. Denn die Kleider müssen tragbar sein, Bewegungsfreiheit geben und gleichzeitig sehr strapazierfähig. Nicht zuletzt sollten sie auch ästhetisch ins Gesamtbild passen. Bis zu achtmal müssen sich die Tänzer und Tänzerinnen bei "No Limits" umziehen. Für die sogenannten "Quick Changes" (schnelle Wechsel) haben sie oft nur wenige Minuten Zeit. Die Stoffe müssen daher dehnbar und widerstandsfähig sein, manchmal auch feuerfest oder wasserabweisend.
In 80 Jahren hat "Holiday on Ice" gleich fünf Weltrekorde erzielt. Zwei davon 2008 als "die meistbesuchte Eisshow der Welt" mit über 320 Millionen Zuschauern. Und mit dem "längsten rotierenden und menschlichen Rad auf Eis" mit 65 Eiskunstläuferinnen und -läufern. Damit schafften sie es ins Guinness-Buch der Rekorde. Mittlerweile liegt die Besucherzahl laut Veranstalter bei über 330 Millionen. Jährlich wechseln die Show-Konzepte und mit ihnen die Stars vor, hinter und auf dem Eis. Es gab mehr als 60.000 Auftritte auf allen fünf Kontinenten.
Ziel ist eine weltweite Ice-Show
Heute tourt "Holiday on Ice", seit 2016 im Besitz des Bremer Ticketvertriebs CTS Eventim, in Deutschland, Österreich und Frankreich. "Unser großes Ziel aber ist", erklärt die Produkt-Managerin Nadine Matzat, "auch wieder in den USA und weltweit unterwegs zu sein".
Das Potential dafür bietet die neue Show. Eine Zuschauerin fasste es so zusammen: "Mega!"