Katharina Wisotzki © Kerstin Schomburg Foto: Kerstin Schomburg

Neue Leiterin der Hannover Universen: Theater ist kein weißes Zentrum

Stand: 20.10.2023 06:00 Uhr

Die Universen, die solidarische Bühne des Staatstheaters Hannover, haben eine neue künstlerische Leitung. Katharina Wisotzki will Theater nicht als weißes Zentrum denken, sondern die reale Stadtgesellschaft abbilden.

von Katharina Preuth

Wenn die Universen zu ihren Veranstaltungen einladen, kommen Menschen, die sonst seltener ins Theater gehen. Wie gelingt ihnen, womit andere andere Häuser ihre Probleme haben? „Ich versuche, die Universen von Beginn an mit Menschen aus verschiedenen Communitys gemeinsam zu planen“, sagt Katharina Wisotzki. Sie ist seit der Spielzeit 2023/24 künstlerische Leiterin der Universen. „Ich will aus einem bestimmten Denken herauskommen und das Theater nicht als weißes Zentrum sehen, von dem aus einzelne Communitys angesprochen werden.“ Wenn also eine Lesung von Necati Öziri mit „Vatermal“ ansteht, ist das Publikum divers – und das liegt nicht nur am Cay, den es für alle im Anschluss gibt.

Lesungen über Einwanderungserfahrungen

Die Zielgruppe sind diverse Menschen: BIPoC, queer, alt, jung, körperlich eingeschränkt, postmigrantisch – eben ein Querschnitt der Stadt Hannover. Zur Stadtgesellschaft zählen auch türkische, kurdische und jesidische Perspektiven. Nicht nur darum findet sich im Eröffnungsprogramm für die aktuelle Spielzeit nicht nur die Lesung von Öziri, sondern auch Dinçer Güçyeter mit „Unser Deutschlandmärchen“ war zu Gast. Beide schreiben in ihren Romanen über Einwanderungserfahrungen aus der Sicht der Nachkommen von GastarbeiterInnen. Außerdem ist eine Feier zum kurdischen Neujahrsfest im März fest im Programm der Universen verankert. „Das Schöne ist, dass Menschen nicht nur kommen, weil es eine bestimmte Veranstaltung gibt. Sie fangen an, sich hier generell willkommen zu fühlen“, sagt Wisotzki.

Wisotzki: "Ich bringe queer-feministische Positionen mit"

Einen wichtigen Schritt auf die Community zugegangen, ist ihr Vorgänger Murat Dikenci, der selbst ein Enkel türkischer Gastarbeiter ist. Katharina Wisotzki setzt nun in den Universen ihre eigenen Schwerpunkte. „Ich bringe queer-feministische Positionen mit. Das wurde schon in meinem Eröffnungsprogramm deutlich. Da gab es die Performance „Ok Boomer“ von Golschan Ahmad Haschemi und Banafshe Hourmazdi, die sich aus einer feministischen Perspektive mit der Musik der Boomer-Generation auseinandersetzt“, erzählt Wisotzki. Gemeinsam mit der Multiversum-Bar, eine selbst organisierte Kneipe für BPoC, migrantische und jüdische Menschen, hat sie außerdem eine FLINTA-Party veranstaltet.

Programm der Universen ausgerichtet am politischen Kalender

Ansonsten richte sich die Spielzeit 23/24 am politischen Kalender aus, wie Wisotzki erklärt. Auf dem Programm stehen eine Feier zum jüdischen Chanukka-Fest gemeinsam mit der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover; genauso wie Veranstaltungen im Februar zum Black History Month mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland aus Hannover oder zum Weltfrauentag im März. Ihre zweite Spielzeit wird das Oberthema „Gerechtigkeiten“ haben. „Klar bringe ich eigene Impulse rein und kann trotzdem gut an Murats Arbeit anknüpfen“, erklärt Wisotzki. Ein weiterer Vorteil für die 35-Jährige: Sie hat die letzten acht Jahre in Hannover gelebt und ist gut vernetzt, zum Beispiel durch ihre Arbeit für das Theater im Pavillon oder als Organisatorin des Multitude-Festivals. Aus Nürnberg in den Norden hat es Wisotzki zum Musik- und Germanistikstudium nach Oldenburg geführt.

Universen sind in Hannover etabliert

Wisotzki beginnt mit ihrer Arbeit bei den Universen nicht bei Null. Zur Spielzeit 2019/20 hat Julia Wissert die Universen gegründet – und Murat Dikenci hat die Arbeit fortgeführt. Wenn zu Veranstaltungen eher theaterfernes Publikum erscheint, dann habe es damit zu tun, dass sich die Universen etabliert haben, sagt die künstlerische Leiterin. „Politisch und künstlerisch aktive Menschen aus Hannover wissen, dass die Universen ein Raum für sie sind. Ein Ort, an dem es ein gutes Stadtgespräch gibt und an dem die Stadtgesellschaft tatsächlich Realität wird, sowohl auf der Bühne als auch im Publikum“, sagt Wisotzki.

Weitere Informationen
Eine rote, türkische Fahne mit dem Halbmond und dem Stern hängt während der Fußball-EM 2016 am 14.06.2016 in Berlin an einem Haus neben der deutschen Flagge in Schwarz-Rot-Gold. © picture alliance Foto: Wolfram Steinberg

Kultur für alle: Vielfältige Gesellschaft durch Migration

Vor mehr als 60 Jahren kamen die ersten türkischen Gastarbeiterfamilien nach Deutschland. In der zweiten und dritten Generation sind sie längst Teil der Kultur im Land. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Janine Jansen mit Violine vor dem Körper © Decca Marco Borggreve Foto: Decca Marco Borggreve

Livestream: Sakari Oramo & Janine Jansen

Janine Jansen spielt eine Deutsche Erstaufführung von Britta Byström. Sakari Oramo bringt Elgars Zweite Sinfonie zum NDR EO. Video-Livestream

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?