Dresscodes: Wo sie noch gelten und wo nicht
Bei der letzten Schach-WM hat Magnus Carlsen, der fünffache Schach-Weltmeister, für Schlagzeilen gesorgt. Der Grund dafür: Er trug eine Jeans. Wie sieht es mit einer Kleiderordnung aus? Ist sie noch angemessen?
Am Jahresende brodelte eine Diskussion bei der Schnellschach-WM in New York - und dabei ging es nicht um Schach, sondern um die Kleidung des Ex-Schach-Weltmeisters Magnus Carlsen, der in Jeans ans Brett treten wollte. Beim Schach herrscht eigentlich eine strenge Kleiderordnung. Carlsen bekam eine Geldstrafe und sollte zunächst mit anderer Kleidung kommen. Nach großer Kritik aus dem Netz und der Schach-Szene erlaubt der Schach-Weltverband Magnus Carlsen nun doch in Jeans bei der Blitzschach-WM anzutreten. Wo gelten feste Dresscodes und wie sinnvoll sind die? Der Deutsche-Welle-Moderator Gerhard Elfers verhandelt im Fernsehen und im Internet in der Reihe "Dresscode" Modefragen. Ein Interview:
Jeans beim Schach - was sagen Sie: Ist das eine modische Unverschämtheit?
Gerhard Elfers: Es ist nicht ganz generell eine modische Unverschämtheit, aber, soweit ich informiert bin, ist es ein Verstoß gegen einen klar definierten Dresscode. Das ist die Sache des Verbandes. Ich bin immer der Auffassung, wenn ein Dresscode ausgegeben wird, egal ob für ein sportliches, gesellschaftliches Ereignis oder eine Party, dann ist man generell gut beraten aus Respekt dem Gastgeber gegenüber diesen Dresscode einzuhalten.
Wo geltend noch Dresscodes?
Elfers: Insgesamt gelten Dresscodes vielleicht noch beim Dinner mit König Charles oder bei diplomatischen Anlässen. Da wird strenger darauf geachtet. Ganz generell sind die Dresscodes am Arbeitsplatz sehr gelockert worden, zum Leidwesen von Menschen wie mir. In gewissen Sportarten wie im Tennis gibt es noch Dresscodes. Da muss, glaube ich, vordergründig weiß getragen werden. Beim Fechtsport ist das so ähnlich, da muss der Anzug ebenfalls weiß sein. Aber das hat sich doch alles sehr verbessert.
Sie haben gerade gesagt, zu Ihrem Leidwesen. Was empfinden Sie als modische Zumutung?
Elfers: Da gibt es eine ganze Menge Sachen. Das geht los mit ganz einfachen Sachen. Ich rede jetzt wirklich nur von Männern. Mit Shorts ins Büro kommen, zum Beispiel, das ist für mich ein No Go. Es ist schade, dass das alles ein bisschen nachgelassen hat, das Leute nicht mehr darauf achtgeben, wie sie sich anziehen, oder sich bewusst ein bisschen schlampiger anziehen. Ich verstehe nicht, was Leute damit ausdrücken wollen. Vor allen Dingen sehe ich das bei Männern in einem gewissen Alter, die modisch ihre Teenagerzeit noch einmal ausleben wollen. Das ist mir oft ein Rätsel. Ich bin ein großer Fan von Anzügen und Krawatten.
Der Begriff Dresscode, also Code, hat etwas Verschlüsseltes. Inwieweit ist es offensichtlich und inwieweit ist es für das geschulte Auge erkennbar, dass sich jemand vielleicht verkleidet hat?
Elfers: Man sieht oft Männer, die Anzüge tragen, weil sie Anzüge tragen müssen oder glauben, es zu müssen auf Grund von Dresscodes, die im Unternehmen existieren. Man sieht oft, dass Männer einfach Anzüge tragen, die gerade so passen, aber schlecht sitzen. Und Männer haben auch kein Auge und keinen Blick mehr dafür, was ihnen selber steht und vor allem, was ihnen selber passt und was gut sitzt. Viele Männer kann man heutzutage nach allem möglichen fragen, aber wenn man fragt, was er für eine Konfektionsgröße oder für eine Hemdengröße hat, hört man alles zwischen S und XL, aber keine definierte Konfektionsgröße mehr.
Jetzt wird am Bundesgerichtshof verhandelt, ob es sich bei der Birkenstock-Sandale um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst handelt. Ich vermute, die Birkenstock-Sandale ist Ihnen auch nicht so sympathisch.
Elfers: Doch. Ich finde, die Birkenstock-Sandale hat einen totalen Wiedererkennungswert und inzwischen wird sie auch in der Modewelt, eher im Casual-Bereich, soweit ich darüber informiert bin, sehr geschätzt. Mit Birkenstock habe ich überhaupt kein Problem. Ich besitze selber übrigens Birkenstock-Hausschuhe, die ich mit großem Vergnügen trage.
Dresscode heißt auch immer, man gehört dazu. Würden Sie sofort erkennen, dass jemand den Dresscode zwar einhält, aber eigentlich nichts davon versteht.
Elfers: Ja, das erkennt man relativ schnell, wenn man über die Jahre einen Blick dafür entwickelt hat. Es gibt einen Stil, wenn Männer, die Anzüge und Krawatten tragen, das ohne Pfiff machen, ohne eine gewisse Lässigkeit auszustrahlen. Das Allerschlimmste ist der G7-Dresscode, den ich so nenne: Business-Anzug mit weißem Hemd, aber ohne Krawatte. Das ist für mich der Punkt, hier hat man es einfach nicht begriffen.
Wenn man Sie jetzt in einen ballonseidenen Trainingsanzug stecken würde mit einer hässlichen Farbe ihrer Wahl - was würde das mit Ihnen machen?
Elfers: Für eine 80er-Jahre-Kostümparty ist das völlig in Ordnung. Ich wüsste nicht, wer mich da reinstecken sollte, ich würde zumindest so nicht auf der Straße rumlaufen. Ich trage Zuhause eine Jogginghose, eine Strickjacke oder einen Hoodie. Ich renne nicht nur im Anzug rum und ich gehe auch nicht im Anzug schlafen. Aber wenn ich aus dem Haus gehe, wenn ich nur gegenüber in einen Supermarkt gehe, ziehe ich mir zumindest eine halbwegs anständige Jeans an. Im Jogginganzug aus dem Haus gehen, käme für mich nicht in Frage.
Was ist eine Allzweckwaffe? Womit ist man immer richtig angezogen?
Elfers: Mit einem dunkelblauen Anzug. Damit macht man eigentlich keinen Fehler. Der ist für fast alle Anlässe passend. Der ist für den Berufsalltag gut geeignet und damit kann man auf eine Party gehen. Je nachdem, was man für eine Krawatte nimmt, mit ein paar gescheiten Schuhen dazu, ist das die absolute Allzweckwaffe. Davon sollte jeder Mann, der in beruflichen Zusammenhängen unterwegs ist, nicht unbedingt auf der Baustelle, zwei bis drei im Schrank haben.
Kann man auch overdressed sein?
Elfers: Na klar, das passiert mir auch gelegentlich, das ich das Gefühl habe, ich bin overdressed. Manchmal ziehe ich morgens einen Anzug oder eine Kombination mit Hemd, Manschettenknöpfen und glänzenden Schuhen an und dann denke ich, wenn ich im journalistischen Zusammenhang, also in der Redaktion, in der ich arbeite, bin, das es vielleicht ein bisschen viel ist. Es hängt aber auch davon ab, wie man drauf ist. Man kann sich mit dem Anzug sehr dezent und zurückgenommen kleiden. Oder man kann sehr auffällig bleiben, wenn man das will. Das ist das Schöne am Anzug, dass man das jeden Tag neu entscheiden kann.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.