Theater im Jahr 2022: Aufbruch aus der Krise
Nach Lockdowns und harten Auflagen in der Corona-Pandemie war 2022 endlich wieder mehr Raum für die Kunst auf der Bühne. Was haben die norddeutschen Theater gezeigt? Ein Rückblick auf das Theaterjahr.
Es ist eine zweischneidige Sache. Wir können wieder hin, ohne Maske jubeln und "Buh" rufen, Erlebnisse teilen. Gleichzeitig war noch nie so viel "Krise", was den Regisseur Leander Haußmann unlängst dazu verleitete, seiner Branche die Leviten zu lesen: Man möge doch, bitte schön, mit diesem Winseln und Jammern endlich mal aufhören. Das Publikum komme schon von allein zurück, wenn das Theater gut sei.
Theaterjahr 2022: Produktionen, die Herrschaftsstrukturen fragen
"Der Versuch, nicht pessimistisch zu sein, wird anstrengender so nach und nach", stellte Karin Beier, die Intendantin des Hamburger Schauspielhauses, im September zu Beginn der Spielzeit fest. Nicht nur hier sind Produktionen zu sehen, die nach Herrschaftsstrukturen fragen, wie "Caesar". Am Staatstheater Hannover inszeniert Lisa Nielebock "Hamlet". "Für mich ist es ein Stück, das sich mit der Frage auseinandersetzt, inwieweit Gewalt nötig, legitim, katastrophal, verheerend und zerstörerisch wirkt auf uns Menschen", erzählt die Regisseurin.
"Die Fledermaus" als Abend über das Artensterben
Fragen an eine Welt im Krisenmodus. Das Thalia Theater macht aus der Strauss-Operette "Die Fledermaus" einen Abend über das Artensterben. Am Deutschen Theater in Göttingen ist die Erbschaftssatire "Jeeps" zu sehen, in Schwerin bringt Milan Peschel im April frei nach Tschechows "Onkel Wanja" "Finita la Commedia" auf die Bühne. "Was Theater bewirken kann, das weiß ich nicht, da maße ich mir kein Urteil an", sagt Peschel. "Theater ist eine Nischenkunst und kann vor allem erst einmal Wirkung auf die Spielenden selbst haben - und dann vielleicht auch auf die Leute, die kommen." Wenn sie kommen.
"Die Ärztin": Rollen gegen den Strich besetzt
Was darf wer wann für wen wie spielen? Auch das ist ein großes Thema an den Häusern. In seinem Stück "Die Ärztin", frei nach Arthur Schnitzlers "Professor Bernhardi", legt der Autor Robert Icke fest, dass die Rollen gegen den Strich besetzt werden sollen. In Hannover brachte Stefan Pucher die deutsche Erstaufführung auf die Bühne. Hier gibt beispielsweise eine junge Person of Color-Schauspielerin einen weißen Assistenzarzt.
"Das mangelnde Licht": Ein überwältigender Abend
Am Theater Kiel zeigt "Kleiner Mann, was nun" von Fallada außerdem, wie aktuell Geschichte sein kann. Ähnlich "Das mangelnde Licht" nach dem Georgien-Roman von Nino Haratischwili. Die Uraufführung am Hamburger Thalia Theater war kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Es ist ein überwältigender, großer Abend, für den die Regisseurin Jette Steckel im November den Theaterpreis Faust erhielt. Für die Wiederaufnahme im Januar gibt es nur noch wenige Karten.
Wie behauptete doch Leander Haußmann? "Die Zuschauer kommen wieder, wenn es gut ist." Ganz so einfach ist es sicher nicht, aber auch nicht falsch.