Störtebeker Festspiele: Ein Freibeuter in der Identitätskrise

Stand: 16.06.2024 07:23 Uhr

Die Störtebeker Festspiele auf der Insel Rügen feiern Jubiläum. Es ist die 30. Spielzeit seit dem Neustart 1993. Und wieder einmal wird der Piratenheld, der Legende folgend, in den Tod geschickt - und doch ist einiges anders.

von Martina Rathke

Hamburg auf der einen Seite: die Metropole voller sozialer Widersprüche mit Pfeffersäcken, die die Einwohner schröpfen, Händlern, die ums Überleben kämpfen. Auf der anderen Seite: Marienhafe, der Ort der Liebe für Klaus Störtebeker. Dort hat der Piratenheld einen sicheren Hafen gefunden. Gegenwelten - zwischen denen sich in diesem Jahr das Schicksal des Likedeelers entscheidet.

"Hamburg 1401": Störtebeker kein strahlender Gewinner

Szene von den Störtebeker Festspielen. © Störtebeker Festspiele
Opulente Kostüme und ein aufwendiges Bühnenbild fesseln.

Auf der Naturbühne Ralswiek starten die Störtebeker-Festspiele: "Hamburg 1401" heißt das Stück, in dem der Pirat seinen Kopf verliert. Ein bekanntes Ende also. Bereits mehrfach inszeniert in den vergangenen rund drei Jahrzehnten. Regisseur Louis Villinger - verantwortlich für die diesjährige Produktion - zeigt Störtebeker in seinen letzten Tagen als einen Mann in einer Identitätskrise.

"Wir haben einen Helden der seine Freiheit sucht, Klaus Störtebeker. Der Konflikt ist, dass die Welt drum herum nicht die Freiheit ermöglichen kann und will. Letztendlich wird er gefangen genommen. Er scheitert mit seinem Ideal, frei und unabhängig zu sein", so Villinger. Moritz Stephan spielt erneut den Klaus Störtebeker. In der letzten Hauptprobe war der Hauptdarsteller noch leicht angeschlagen von einer Halsentzündung.

Sein Störtebeker ist nicht der strahlende Gewinner, sondern der Mensch, der an seinem Tun zweifelt. Eine dankbare Rolle, wie Moritz Stephan sagt: "Ich bin das Blut satt. Wie oft haben wir das schon gesehen, weinende Kinder, verletzte Männer, weinende Frauen. Wir bringen Unheil über die, die wir lieben. Du willst Marienhafe verlassen. Ich will nicht noch einmal. Ich gehe nach Helgoland".

Opulent inszeniert, aufwendige Kostüme

Des Kämpfens müde plant der Pirat den Rückzug ins Private, ein ruhigeres Leben. Doch genau das fällt ihm auf die Füße. Natalia von Beieren, gespielt von Ruth Macke, spinnt zusammen mit Simon von Utrecht, einem intriganten Machtmenschen, ein Komplott. Sie lockt den Helden mit dem Versprechen, auf Helgoland ein ruhigeres Leben führen zu dürfen, auf die Nordseeinsel. Dort schnappt die Falle zu.

Das Stück ist opulent inszeniert, die Kostüme mit mehr Glamour, was auch Wolfgang Lippert freut. Der Publikumsliebling übernimmt in diesem Jahr erneut die Rolle des Balladensängers - in glänzendem türkisfarbenen Brokat und mit Pelzkragen. "Ich sehe wirklich gut aus, das ist irre. Ich sehe aus wie aus Disney. Ich finde, dass wir in diesem Jahr besonders schöne Kostüme haben. Wir hatten ja sonst immer so mittelalterlich anmutende Säcke über, das ist sicher authentisch. Aber ich glaube, für die Bühne und dieses Bühnenbild ist es gut, mal sehr farbenfroh um die Ecke zu kommen."

200 Darsteller sorgen für kurzweiligen Abend

Etwa 200 Darsteller agieren auf der Bühne, allein 120 Komparsen - fast doppelt so viele, wie in den Vorjahren. Kinder und Jugendliche teilen sich die Positionen. Dazu zehn Reiter, elf Schauspielerinnen und Schauspieler, sechs Stuntmen und Mitglieder der Requisite, die ebenfalls das Bühnenbild füllen. Und das ist in diesem Jahr sehr wandelbar mit einer herabfahrenden Fassade am Hamburger Rathaus und den wie aus dem Nichts auftauchenden roten Felsen von Helgoland. Eine Seeschlacht auf dem Wasser, eine brennende Mühle, eine berührende Traumszene, Männer die aus Fenstern stürzen, kämpfende und sterbende Helden, die durch ihren Tod zu Legenden werden. Die Mischung verspricht einen kurzweiligen Abend.

Für einen Wimpernschlag der Geschichte hatten Klaus Störtebeker und seine Männer den Pfeffersäcken das Fürchten gelehrt, aber das galt nur für einen Wimpernschlag der Geschichte. Bühnenzitat

Am 15. Juni starten die Festspiele auf der Naturbühne Ralswiek mit seinen 8.800 Zuschauerplätzen Bis zum 31. August stehen 67 Aufführungen auf dem Spielplan. Für die Premiere gibt es sogar noch Restkarten.

VIDEO: Störtebeker-Festspiele: Ein Zyklus geht zu Ende (3 Min)

Störtebeker Festspiele: Ein Freibeuter in der Identitätskrise

Die Störtebeker Festspiele feiern Jubiläum. Wieder einmal wird der Piratenheld in den Tod geschickt - allerdings mit einigen Neuerungen.

Datum:
Ende:
Ort:
Am Bodden 100
18528 Ralswiek/Rügen
Kartenverkauf:
https://stoertebeker-karten.de/
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Nordmagazin | 16.06.2024 | 19:30 Uhr

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