Wilhelmshaven: Fossile Energien auf der Bühne und in der Kunsthalle
Die Kunsthalle Wilhelmshaven und die Landesbühne Nord nehmen Erdöl in den Fokus. Das Stück "Öl der Erde" und die Ausstellung "Fossile Energie, fragile Zukunft" zeigen Entwicklung und Problematik des fossilen Zeitalters.
Wilhelmshaven ist seit Dezember 2022 mit der Eröffnung des ersten Terminals für Flüssigerdgas bundesweit in den Mittelpunkt der Energieversorgung gerückt. Öl wird dagegen schon seit den 1950er-Jahren per Tanker an die Jade importiert. Die Kunsthalle Wilhelmshaven und die Landesbühne Nord widmen dem fossilen Zeitalter nun eine Ausstellung und ein aktuelles Theaterstück."Öl der Erde" heißt das Schauspiel der britischen Autorin Ella Hickson. Es erzählt die Geschichte des Erdöls.
Das südenglische Cornwall 1889. Ein Bauernhof. Hier lebt May mit ihrer Familie in bitterer Armut. Doch eines Tages kommen Licht und Wärme in Gestalt einer Kerosinlampe in die einfache Behausung: Ein Amerikaner präsentiert der staunenden Bauernfamilie, die neue, helle Energiequelle. May ist fasziniert davon: Dieses Wunder heißt Kerosin. Es kommt direkt aus der Erde, ganz so wie die Bienen und Vögel und Flüsse und Bäume.
Geschichte des Erdöls: Von Reichtum und Ausbeutung
In fünf Bühnenbildern, die von Cornwall über Teheran, London, dem irakischen Kirkuk und schließlich wieder, in der Zukunft 2053, erneut nach Cornwall führen, erlebt der Zuschauer sehr unterschiedliche Szenen, in denen eine Mutter und deren Tochter die Hauptrolle spielen - insgesamt über einen Zeitraum von rund 200 Jahren. Es ist die Geschichte des Erdöls, das einige reich macht, das Leben vieler erleichtert, aber auch Ausbeutung und Kolonialismus bedeutet, sagt Oberspielleiter Robert Teufel.
"Öl der Erde": Stück über starke Frauen
"Öl der Erde" ist ein Stück über starke Frauen: Es geht um die Frage von Autonomie, es ist ein feministisches Stück. Es fragt ganz klar danach: Die männliche geprägte Welt, was hat die mit der Weiblichen getan, deshalb sind die Frauen im Zentrum – endlich! Es sind zwei wunderbare, große Figuren, an denen man viel entdecken kann. May und ihre Tochter entwickeln sich im Laufe der Geschichte und Generationen rasant. Aus der Bäuerin wird zunächst ein Dienstmädchen, dann eine Geschäftsfrau.
Fortschritt und Erdöl ermöglichen in der westlichen Welt Freiheit und Emanzipation. Doch nicht überall. Das zeigen die Szenen aus Teheran und Kirkuk: Irgendwann wollen die ausgebeuteten Länder teilhaben am Reichtum. Doch das gefällt May als Managerin eines Ölkonzerns nicht:
"Als wir zum ersten Mal in ihr Land kamen, haben sie uns angebettelt den Standort aufzubauen. Sie haben mir einen Festpokal überreicht. Und jetzt holen wir uns zurück, was uns gehört."…"Was ihnen gehört? Es befindet sich auf unserem Boden!" Zitat aus Ella Hicksons Stück "Öl der Erde"
Stück gibt Anstöße zur Selbsterkenntnis
"Öl der Erde" ist ein brandaktuelles Stück über uns und das fossile Zeitalter. Ein Theaterstoff, der an der Landesbühne Nord großartig und spannend auf die Bühne gebracht wird. Nicht moralinsauer, sondern mit vielen Anstößen zur Selbsterkenntnis. Wir sehen, was der Fortschritt und ein Lebensstil, der längst nicht mehr ohne Erdöl auskommt, aus uns allen gemacht hat und wie wir nun die Folgen tragen müssen, sagt Dramaturgin Kerstin Car: "Es ist sehr niedrigschwellig. Ich glaube, man kann sich da auch als Frau sehr schnell wiederfinden, weil man immer wieder auf seine eigenen Erfahrungen zurückgeworfen wird."
Ausstellung: Von Ölschäden im Nigerdelta bis zum Hambacher Forst
"Fossile Energie - fragile Zukunft" heißt eine Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven, die gerade eröffnet wurde und noch bis zum 26. Mai zu sehen ist. Hier setzen sich Künstlerinnen und Künstler mit den fossilen Brennstoffen auseinander und fragen, was deren Ausbeute für die Umwelt bedeutet. Vom Hambacher Forst und seinem Protestcamp gegen den Kohle-Tagebau bis hin zum LNG-Terminal, über den Fracking-Gas importiert wird. Aber es geht auch um Erdöl: In seiner Videoperformance "Ogoni Cleanup" versucht der Nigerianer Ayọ̀ Akínwándé mit bloßen Händen, ein vom Öl verschmutztes Stück Flusslandschaft zu reinigen. Mehr als ein halbes Jahrhundert Ölförderung hat im Nigerdelta Umweltschäden in einem riesigen Ausmaß hinterlassen. Es sei wichtig für ihn gewesen, selbst vor Ort zu sein, in einer Region, die die Verschmutzung seit Jahrzehnten erdulden muss, sagt er hier. Darauf und dass bis heute nichts Wirksames von den Firmen und der Politik dagegen getan wird, weist der afrikanische Künstler hin.
Wandteppiche zeigen apokalyptische Wimmelbilder
Eindrucksvoll sind auch die Wandteppiche, die Miriam Sentler gefertigt hat. Monumentale Bilder aus Wolle, die auf einem Teppich die Erdölförderung auf See zeigen. Bohrtürme und Plattformen sind hier mitten unter den Meerestieren zu sehen. Kunsthallenleiterin Petra Stegmann erinnern die Arbeiten an große Wandteppiche, wie wir sie aus Schlössern kennen: "Das Ganze hat etwas Mythologisches. Man denkt an große Tapisserien", sagt Stegmann. Auf jeden Fall sind es spannende, aktuelle Bezüge, in einer alten Technik hergestellt. Ein apokalyptisches Wimmelbild, auf den ersten Blick harmlos, aber im Detail entfaltet es seine volle Wucht.
Vorträge und Exkursionen zum LNG-Terminal
So ist es mit vielen der Kunstwerke, die zum Thema "Fossile Energie - fragile Zukunft" derzeit in der Kunsthalle Wilhelmshaven zu sehen sind. Es gibt ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen und Führungen und auch mit Exkursionen zum LNG-Terminal an der Küste.