"Kein Schiff wird kommen" in Rendsburg: Schweigen und Zudecken
In Nis-Momme Stockmanns Theaterstück "Kein Schiff wird kommen" soll ein Autor über die Wende schreiben - und stößt dabei auf seine verdrängte Familiengeschichte. Am Sonnabend hatte die Inszenierung von Finja Jens Premiere in den Rendsburger Kammerspielen.
Möwengekreisch, Wellengeplätscher, Schiffsdiesel-Wummern - von wegen! Darauf wird man in der Rendsburger Inszenierung von "Kein Schiff wird kommen" verzichten müssen. Dafür steht ein Käfig auf der Bühne - allerdings aus Rohren wie an Bord und mit Vorhängen im Wasser-Look. Wie viel Schleswig-Holstein, Wattenmeer und Föhr steckt da drin? "Wir suchen ja immer so ein bisschen nach Stoffen, die auch etwas mit unserer Region zu tun haben", erzählt Finja Jens, die Regisseurin des Stücks. "Der Autor Nis-Momme Stockmann hat hier ein Stück über seine Familiengeschichte geschrieben - und es ist einfach großartig."
"Kein Schiff wird kommen": Autor fremdelt mit Auftrag
Tatsächlich begeistert das Stück in seiner Stille und Nachdenklichkeit. Der Käfig auf der Bühne wird zum Ort der Begegnung, zum Gefühlsraum für Vater und Sohn. Letzterer ist Schriftsteller und ihm geht es zunächst nur ums eins: um sein neues Stück zur Wende von 1989, für die er sich null interessiert. Auf der Bühne erzählt der Autor, verkörpert von Steven Ricardo Scholz, dass ihm das Thema so fremd ist wie die Revolution von 1848. Und fährt fort: "Meine Geschichte besteht aus Masters of the Universe, BMX-Fahren, Prügel von der Cola-Korn-saufenden Landjugend bekommen. Ich schreibe über etwas, das mich persönlich überhaupt nicht berührt."
Gut gemeinte Worte des Vaters zum ewigen Sohn
Was ihn berührt, muss erst noch herausgepult werden und sich entblättern. Bis dahin ist es ein Déjà-vu mit alten Familienstrukturen, es kommen gut gemeinte Worte eines Vaters zum ewigen Kind. So endet etwa das gemeinsame Pizza-Backen wie früher - mit einem genervten Sohn. Regisseurin Jens: "Die beiden lieben sich wahnsinnig, wie das in der Regel so ist, aber sie machen sich auch wahnsinnig. Obwohl beide ehrlich bemüht sind."
Die Wendezeit als Umbruch in der Familie
Schweigen und Zudecken hat sich hier, wie so oft im Leben, als Mittel der Wahl erwiesen. Dabei sollte es doch um anderes gehen, mit diesem irrlichternden Auftrag des Theaters an den honorarabhängigen Autor. Er soll "etwas Großes" schreiben. Doch den Begriff "Wende" kann man auch anders verstehen, erzählt die Regisseurin: "Natürlich finden die Dinge, die uns ernsthaft berühren, dort statt, wo wir privat sind. Was schön ist, ist dass hier der große zeitgeschichtliche Umbruch, die Wende, zusammenfällt mit dem Umbruch, der in der Familie passiert."
Intensives und gelungenes Spiel
Denn der Vater hat zur Wendezeit vor allem eins erlebt: die Alzheimer-Erkrankung und den Tod der Mutter. "Dieser Tod der Mutter ist eigentlich das Trauma, das der Sohn aufarbeiten muss - also für sich und seinen Vater", so Jens.
Nach 90 Minuten sitzt man ziemlich platt da. Und weiß einmal mehr: Auch im Norden ist Nach-Hause-Kommen, jenseits von Möwen, Schiffen und Wasser, vor allem ein innerer Prozess - den sie in der Inszenierung des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters intensivst und gelungen spielen.
"Kein Schiff wird kommen" in Rendsburg: Schweigen und Zudecken
In dem Stück von Nis-Momme Stockmann soll ein Autor über die Wende schreiben - und stößt dabei auf seine verdrängte Familiengeschichte.
- Art:
- Bühne
- Datum:
- Ort:
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Rendsburg (Kammerspiele) und andere Spielorte
Hans-Heinrich-Beisenkötter-Platz 1
24768 Rendsburg
- Hinweis:
- Aufführungen am 25. März und 13. April in Rendsburg, weitere Aufführungen in Meldorf (28. März), Heide (30. März) und Schleswig (2. April).