Szene aus "Intervention!" am Thalia Theater. © Armin Smailovic

"Intervention!" am Thalia Theater: Eine theatrale Bruchlandung

Stand: 04.03.2023 19:29 Uhr

Viel Talent, viel Grünkohl: Am Freitag hat das Stück "Intervention!" von Sänger Sven Regener und Regisseur Leander Haußmann am Hamburger Thalia Theater Premiere gefeiert. Selten waren Buhrufe für eine theatrale Bruchlandung so verdient.

von Peter Helling

Dieses Duo hat deutsche Film- und Theatergeschichte geschrieben: der Autor und Gründer der Band Element of Crime, Sven Regener, und Leander Haußmann, Filmregisseur von "Sonnenallee" und der Verfilmung von Regeners Bestseller "Herr Lehmann". Nun setzten die beiden gemeinsam ein Theaterprojekt um, dessen Uraufführung hörbar nachhallte.

Ältlicher Versuch der Wiederbelebung des Sprechtheaters

Er lebt! Man hatte ihn so lange für tot gehalten, aber da ist er, quicklebendig: der gute alte Buhruf. Selten war er so verdient. Oben, beim Schlussapplaus, steht Regisseur Haußmann mit breitem Lächeln, und man wird den Verdacht nicht los, dass ihm dieses "Buh" gefällt. Als Ausweis für sein Talent als Enfant terrible.

"Ein bisschen beliebig, bisschen lang, bisschen ermüdend" oder "Es waren interessante Wortwechsel dabei, die auch witzig waren, aber insgesamt ein anstrengendes Stück", heißt es im Anschluss aus dem Publikum. Dieser Abend war gar kein Skandal. Weit gefehlt. "Intervention!" ist ein ältlicher Versuch der Wiederbelebung des Sprechtheaters. Ein freudloses Spiel mit Theaterformen. Ein aggressiver Theater-Impro-Workshop.

Ein Abend zäh wie Leder mit Jens Harzer und Gabriela Maria Schmeide

Element of Crime-Frontmann und Autor Regener und Haußmann haben das Stück geschrieben: ein Familientreffen zum Grünkohl-Essen. Jens Harzer spielt Markus mit Grünkohlfrisur, er kocht im Hintergrund, Gabriela Maria Schmeide ist Katja, seine Ehefrau. Intervention, also: Unterbrechung, Störung - damit soll Jannis, der verlorene und auf Abwege geratene Sohn von Markus wieder auf den rechten Weg geführt werden.

Szene aus "Intervention!" am Thalia Theater. © Armin Smailovic
Das kreative Esemble rund um Jens Harzer wirkt unterfordert.

Dann kommen sie der Reihe nach, die Gäste: Es beginnt wunderbar versponnen, wie eine böse französische Komödie, Eskalation liegt von vornherein in der Luft. Marina Galic ist wundervoll als Ex-Frau von Markus, eine blonde Brillenträgerin, die gegen den durchsichtigen Plexiglastisch rennt. Echte Clowns. Noch könnte es was werden, denkt man sich bang. Aber dann wird geredet, wann er denn nun kommt, der Jannis. Kurz vor der Pause ist es dann soweit. Jannis! Aber es war nur der Essensbote mit seinem quaderförmigen Rucksack.

Im zweiten Teil entgleist der Abend in Zeitlupe, er ist zäh wie Leder. Es wird gestolpert, gestikuliert, gekalauert - der arme Bote muss jetzt als Jannis herhalten. Irgendwann wird es gewalttätig. Der Rest ist sehr lautes Schweigen, denn hier passiert gar nichts auf der Bühne, kein doppelter Boden, kein Charme, nichts Hintergründiges. Die Texte leer. Eine Čechov-Kopie, ein bisschen Yasmina Reza. Aber nichts davon wirklich.

"Intervention!": Hochkarätiges Ensemble hoffnungslos unterfordert

"Die zweite Hälfte hätte man eigentlich auch weglassen können, ich wusste gar nicht mehr, warum ich mir das angucken soll", sagt eine enttäuschte Zuschauerin. Okay, mit sehr viel gutem Willen könnte man "Intervention!" als einen Kommentar auf Corona sehen, was ja eine Riesen-Intervention für uns alle war - und die dysfunktionale Deppen-Familie auf der Bühne als Symbol des Theaters selbst. Der Bote von außen: Er könnte das junge Publikum verkörpern, das doch das Theater endlich erreichen will.

Das Schlimme an dieser theatralen Bruchlandung ist nicht ihre Überlänge. Das Schlimme ist ihre latente Aggression. Der Bote wird blutig geschlagen. Und wie immer, wenn Aggression sich so Bahn bricht, wirkt es, als wäre dieses hochkreative Ensemble hoffnungslos unterfordert.

Klar, so viel Talent, so viel Grünkohl. Dann doch lieber der echte Grünkohl im Freundeskreis. Und zwei Schnaps obendrauf.

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Das Sprechtheater-Stück von Element of Crime-Sänger Sven Regener und Regisseur Leander Haußmann hat Premiere gefeiert. Selten waren Buhrufe so verdient.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
Thalia Theater
Alstertor
20095 Hamburg
Telefon:
040.328 14-444
E-Mail:
theaterkasse@thalia-theater.de
Preis:
8-41 Euro
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 04.03.2023 | 07:20 Uhr

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