"Die acht Oktavhefte" bringt Kafka-Skizzen auf die Bühne
Nach Notizen von Franz Kafka inszeniert Regisseur Thom Luz am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg einen Abend mit vielen poetischen Bildern, der besser intuitiv erfasst als verstanden werden kann. Am Freitag hatte "Die acht Oktavhefte" Premiere.
Welche Geschichte wird hier erzählt? Vermutlich sieht jede und jeder eine andere. Denn eine Handlung im klassischen Sinne gibt es nicht. Im Rhythmus der Musik erscheinen zunächst Worte, Textzeilen von Kafka, auf der Bühnen-, dann einer großen Leinwand. "Jeder Mensch trägt ein Zimmer in sich" ist da zu lesen, der erste Satz aus den acht Oktavheften.
"Die acht Oktavhefte": Franz Kafkas Außenseitertum als Thema
Am Ende des Abends wird dieses Zimmer auf der Bühne stehen. Vorher ist Aufbau. Leitern werden bestiegen, ein riesiges Fenster rollt heran, eine viel zu große Tür. Auch das Ensemble scheint in erster Linie zu staunen und kommt (noch) nicht zu Wort.
Es dominieren Musik und Geräusch: Türenknallen, Schritte, das Kratzen der Schreibfeder auf dem Papier. Dann fallen Worte: "Wir sind fünf Freunde. Es wäre ein friedliches Leben, wenn sich nicht immerfort ein sechster einmischen würde." Damit ist ein Thema gesetzt: das des Außenseiters, als der Kafka sich immer gefühlt hat. Hier wird der "Sechste" gnadenlos ausgegrenzt: "Wir stoßen ihn mit den Ellbogen weg. Aber mögen wir ihn noch so sehr wegstoßen. Er kommt immer wieder." Vergeblich.
Thom Luz fügt Fragmente aus Kafkas Oktavheften zusammen
Thom Luz hat sich aus der Vielzahl der Fragmente und Notizen in Kafkas Oktavheften herausgesucht, was sich für ihn lose zusammenfügen ließ. Entstanden ist so ein auf Skizzen basierender Abend, der ebenfalls skizzenhaft bleibt. Das Zimmer ist ein Leitmotiv, ein roter Faden. Natürlich sitzt der Ausgeschlossene allein darin.
Ein Fenster, viele Türen. Denn Thom Luz macht sich einen Spaß daraus, sie zu vervielfachen. Hinter ihnen ist Leben, Gesang, immer wieder gehen sie auf, steht ein Mensch dahinter. Der Mann schließt sie unermüdlich. Eine Treppe taucht unvermittelt aus dem Boden auf, doch wer sie hinaufgeht, kommt nirgendwo an. Sie endet in der Luft. Was heißt Leben, was Tod, was bedeutet Zeit? All diese Fragen blitzen auf: Der Abend ist wie ein Puzzle, nur dass die Teile sich nicht nach einem bestimmten Muster einfach zusammenfügen lassen.
Ein Abend in der Schwebe am Deutschen Schauspielhaus
Thom Luz und sein musikalischer Leiter Mathias Weibel verstehen es, Wort, Bewegung und Musik zu verbinden. Auch das Bühnenbild spielt mit - immer wieder wird es von einem Trupp schwarzgekleideter junger Schauspielerinnen und Schauspieler verändert, bis am Ende das Zimmer fertig ist. Das Klavier, das vorher den Takt vorgegeben hat, hängt an einem Seil bedrohlich darüber, der "Sechste" legt sich darunter ins Bett. "Don't do it", klingt eine Stimme ängstlich aus dem Publikum, doch ein Anfang ist hier kaum mehr vorstellbar. Luz gelingt ein Abend in der Schwebe, mit vielen poetischen Bildern, einem leisen Humor, der jedoch besser intuitiv erfasst als verstanden werden kann und in manchen Momenten zu viel will.
Das zeigen auch Stimmen aus dem Publikum. "Ich fand es ehrlich gesagt schwer zu folgen", erzählt ein Zuschauer. Ein weiterer Zuschauer sagt: "Ich gehe nicht ins Theater, um hier etwas anzugucken, was ich nicht verstehe, wenn ich nicht den Literaturschlüssel gelesen habe." Wiederum andere loben das Atmosphärische, Traumhafte der Inszenierung. Am Ende gab es trotzdem viel Applaus - vor allem für das Ensemble, dass das Konzept geschmeidig trägt.
"Die acht Oktavhefte" bringt Kafka-Skizzen auf die Bühne
Thom Luz inszeniert am Deutschen Schauspielhaus einen Abend mit vielen poetischen Bildern, der besser intuitiv erfasst als verstanden werden kann.
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- Bühne
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Deutsches Schaspielhaus
Kirchenallee 39
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