"Der nackte Wahnsinn" in Hannover: "Man wird permanent überrascht"
Michael Frayns Komödie "Der nackte Wahnsinn" zeigt, was sich hinter der Bühne abspielt, wenn die Vorstellung läuft. Heute feiert das Stück am Schauspiel Hannover Premiere.
Frau Kallax ist in heller Aufregung. Ein Anruf reißt die Haushälterin jäh aus ihrem entspannten Fernsehnachmittag. Doch sie und ein Makler, der ein heimliches Rendezvous am gleichen Ort verabredet hat, sind nur zu hören. Sie spielen jenseits einer Theaterwand, von der das Publikum nur die Rückseite sieht, den sogenannten Backstage-Bereich. Aufgeregt eilen Schauspieler hin und her, suchen die richtige Requisite für ihren nächsten Einsatz, ein junger Regisseur bespricht letzte Details mit seiner Assistentin. Nikolai Gemel verkörpert ihn, mit Hornbrille und langen Haaren.
"Der nackte Wahnsinn": Tag der offenen Tür am Theater
"Das Stück handelt im Grunde davon, dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellen will und jeden Tag mit Hindernissen konfrontiert ist", erzählt Gemel. "Dass eine Idee, die man hat, vielleicht nicht so aufgeht, wie man sie sich vorgestellt hat. Oder dass man sich neu einstellen muss, der Text anders gedacht wird, als man ihn selbst gedacht hat. Dass man auch unerwartet mit dem Temperament der Menschen zu tun hat. Man wird permanent überrascht."
Es ist ein bisschen wie ein Tag der offenen Tür im Theater: Von einer chaotischen Generalprobe mit Texthänger und Türenklemmen über Pantomime und Gesten, die sich während der Aufführung backstage abspielen bis zur völlig desolaten Version der letzten Vorstellung. Die Handlung als Sprechtheater auf der einen Seite, Techtelmechtel und emotionale Krisen im Ensemble in Pantomime-Version auf der anderen.
Regisseurin Anne Lenk: "Finde Zwangslagen spannend"
Es sind zwei Ebenen, die exakt ineinandergreifen müssen - was für Regisseurin Anne Lenk der Reiz des Stückes ausmacht. "Man hat ganz wenig Spielraum als Regisseurin", so Lenk. "Ich finde Zwangslagen irgendwie spannend. Sich ab und zu etwas anzutun, wo man merkt: Man muss wirklich suchen und sehr konsequent sein, um irgendwann einen eigenen Spielraum zu finden. Denn das ganze Stück ist in so einer Mechanik verhaftet, die man auch bedienen muss, sonst funktioniert es nicht."
Backstage wird vor allem gerauft, geknutscht, gerungen. Die Türen sind baustellengelb, von ihnen gibt es viele. Wie im Boulevardtheater geht es ständig rein und raus. Von der Bühne nach hinten und zurück - nur zu einem Ende kommt das Stück nie. Eine Farce! Stattdessen geht es um die Eitelkeiten der Schauspieler, die Geltungssucht der Regieassistentin und um einen jungen Regisseur, der sich überlegt, mit welchem Konzept er am besten weiter kommt in der Karriere.
Verrücktes Treiben am Schauspiel Hannover
"Dadurch, dass das Bühnenbild recycelt ist und man dazu noch alte Baustellen-Materialien nutzt, hat der Regisseur im Stück Geld gespart", erzählt Lenk. "Aber er hat sich sehr viel Mühe mit den Kostümen gegeben, um einen eigenen Stil zu entwickeln, was eben bei jungen Regisseur*innen oft wichtig ist. Es geht um eine Art von Fotogenität der Inszenierung, damit man sich bewerben kann und gesehen wird. Es spielt auf dieses 'was verrückt aussieht, wird auch wahrgenommen' an."
Das verrückte Treiben paart sich mit einem ungewöhnlichen Äußeren: Die Gesichter merkwürdig verlängert wie bei Frankenstein, die Kostüme farblich-poppig, auch ein paar gelbe Michelin-Männchen mit Bankräubermasken treten auf. Gemeinsam kämpfen sie mit aller Kraft darum, den Abend zu einem Erfolg zu machen. Ob es gelingt, das darf sich das Publikum am Ende selbst ausmalen.
"Der nackte Wahnsinn" in Hannover: "Man wird permanent überrascht"
Das Stück am Schauspiel Hannover zeigt, was sich hinter der Bühne abspielt, wenn die Vorstellung läuft.
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