"Yoga Town": Daniel Speck blickt auf die Flower-Power-Generation
Der Münchner Daniel Speck erzählt gerne Familiengeschichten über mehrere Generationen hinweg. Sein neuer Roman "Yoga Town" ist unterhaltsam, spricht aber auch ernstere Themen an.
Hamburg-Harburg im Winter 1967. Alles ist grau und trostlos. Aus einer Laune heraus brechen Lou, seine Freundin Marie und sein jüngerer Bruder Mark auf: Mit dem Benz des Vaters wollen sie nach Indien fahren.
Es gibt drei Arten von Reisenden: Die einen wollen von irgendwo weg. Die anderen wollen irgendwo hin. Und dann gibt es Leute, die reisen, um unterwegs zu sein: Nie stehen bleiben. Nie zurückschauen. Immer weiterziehen. Das waren meine Eltern. Als sie jung waren. Leseprobe
Auf den Spuren der Beatles
Berlin in der Gegenwart. Lou lebt inzwischen als Alt-Hippie in Berlin und betreibt einen Gitarrenladen. Seine Tochter Lucy - die Ich-Erzählerin in diesem Teil des Romans - arbeitet als Yoga-Lehrerin und steckt mitten in einer Lebenskriese. Immer wieder hat Lucy die alten Geschichten der Indienreise ihrer Eltern gehört.
Um es vorwegzunehmen: Ihren peace of mind haben sie dort nicht gefunden. Sie haben eher etwas verloren. Und ich musste hinfahren, um es zurückzuholen. Leseprobe
Als ihre Mutter verschwindet, vermuten Lucy und ihr Vater schnell: Corinna muss in Indien sein. Und so begeben sich Lou, 50 Jahre nach seinem ersten Trip, und Lucy, zum ersten Mal, auf den Weg. Ziel ihrer Reise - damals wie heute: Rishikesh! Denn dort gibt es einen Ort, der Daniel Speck vollkommen verzaubert hat: "Der Ort hat mich inspiriert, weil er unglaublich faszinierend ist", schwärmt Speck. "Die Natur nimmt sich da etwas zurück, was aber noch greifbar ist, was noch zu sehen ist. Und ich finde, Literatur hat auch immer etwas zu tun damit, Dinge vor dem Vergessen zu retten."
Und dieser Ort ist ein Ashram. Nein - es ist "der" Ashram von Guru Maharishi, in dem 1968 Lou und seine Freunde landen, und auch vier Männer aus Liverpool - die Beatles.
Damit bekommt der Roman eine dritte Ebene - eine musikalische. Denn die Beatles versuchen in Rishikesh wie alle anderen auch, ihr Bewusstsein zu erweitern, aber vor allem komponieren sie dort ihr legendäres "White Album". Das erleben Lou und seine Freunde hautnah mit.
Westliche Popkultur trifft auf östliche Spiritualität
Trotzdem ist "Yoga Town“ kein Beatles-Roman. Daniel Speck geht es um etwas anderes: "In 'Yoga Town' interessiert mich die Begegnung von westlicher Popkultur mit östlicher Spiritualität. Also etwas sehr Modernem mit etwas sehr Altem. Und das hat sowohl den Pop verändert als auch die Spiritualität verändert. Wir haben heute eine poppigere Spiritualität (lacht) und wir haben in den Beatles-Songs einige Lieder, die durchaus einen spirituellen Kern haben."
Damals muss die Ankunft im Ashram für die jungen, westlichen Hippies einigermaßen verstörend gewesen sein. Denn es ging konservativ zu: kein Sex, keine Drogen, strikte Trennung nach Geschlechtern. Aber auch die Inder erlebten damals einen kleinen Kulturschock, erzählt Daniel Speck: "Dass dort Frauen in Hippiekleidung ankamen mit Minirock und diese ganze Idee von freier Liebe - das war für die Inder completely shocking. (lacht) Und aus diesem Kulturclash entstanden Missverständnisse, Probleme, Streitigkeiten - und die haben mich natürlich interessiert."
Lucy lernt ihre Eltern in Rishikesh von einer ganz anderen Seite kennen und kommt in einem lange gehüteten Familiengeheimnis auf die Spur. Das führt dazu, dass sie noch einmal ganz neu über ihr eigenes Leben nachdenkt.
"Yoga Town" von Daniel Speck: farbenfroher Lese-Trip
"Yoga Town" ist ein unterhaltsames Buch, das aber auch einige ernstere Themen anspricht. Daniel Speck wirft einen Blick auf die Flower-Power-Generation, ohne sie und ihre Ideale bloßzustellen. Manchmal sind die Charaktere ein wenig zu holzschnittartig geraten, aber dennoch ist dieser farbenfrohe Lese-Trip nach Indien sehr zu empfehlen.
Yoga Town
- Seitenzahl:
- 480 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- S. Fischer
- Bestellnummer:
- 978-3-949465-04-8
- Preis:
- 25 €