"Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes": Amüsanter Trash
In Giulia Beckers Buch geht es um Kurzurlaube, die aus dem Ruder laufen. Wer pointierte Situationskomik mag und auch mal eine Prise Flachwitz verkraften kann, der sollte beherzt zugreifen.
Los geht es mit der allerallerletzten Reise. Giulia Becker - beziehungsweise ihre Ich-Erzählerin - denkt nicht nur über ihren Tod nach, sondern imaginiert mit geradezu orgiastischer Wonne ihre eigene Bestattung. Sie will verbrannt werden:
(…) und zwar nicht so 0815-mäßig mit Körper in den Ofen schieben, 1200 Grad Umluft, Asche raus, fertig. Ich bin doch kein Schlemmerfilet! An meinem Sarg soll eine Zündschnur angebracht werden, und die Person, die am meisten Tequilabier intus hat, darf sie mit einer Art olympischer Fackel entzünden. Leseprobe
Alltäglichkeiten, die sich nach und nach hochschaukeln
Einen albernen Gedanken nicht nur kurz skizzieren, sondern in schillernden Farben und bis ins letzte bizarre Detail ausmalen - das ist Giulia Beckers Spezialität. Auch als Podcast-Host und Gagschreiberin unter anderem fürs Neo Magazin Royale. Ihre aberwitzigen Fantasien beginnen zumeist mit banalen Beobachtungen und Alltagserlebnissen: Zum Beispiel im Wellnesshotel in Brandenburg, am Frühstücksbuffet:
Schon meine Oma pflegte zu sagen: Ein guter Urlaub beginnt mit Sodbrennen. Ich setze mich an Tisch 4, den besten Tisch im Saal: nicht zu weit entfernt vom Buffet, aber auch nicht so nah, dass man Hans-Peter dabei beobachten kann, wie er den Zeigefinger zum Probieren in die Nuss-Nougat-Creme taucht. Kennen Sie diese Personen, die vor einem Buffet schlagartig alle jemals erarbeiteten Tugenden des zivilisatorischen Zusammenlebens über Bord werfen? Vernunft, Moral, Nächstenliebe, Hosen mit Knopf? Diese Person bin ich. Leseprobe
Der Zwang, jetzt aber wirklich zu entspannen, die Abneigung gegen Smalltalk mit Sitznachbarn, der Kampf um den besten Platz im Whirlpool: Alltäglichkeiten, gleichzeitig harmlos und ein bisschen absurd, schaukeln sich bei Giulia Becker nach und nach hoch zu einem grotesken Gipfelpunkt. Ein Erzählprinzip, das sie in verschiedenen Kurzgeschichten durchexerziert.
Ungeschliffene Texte voller Situationskomik
Eine zusammenhängende Erzählung gibt es diesmal nicht. Die Texte wirken sehr ungeschliffen, als wären sie mal so eben runtergeschrieben. Und sie lesen sich genauso mühelos und kurzweilig. Immer wieder gibt es kleine Einschübe, alberne Liedtexte, Gaga-Gedichte, verschiedene Rubriken wie Pro und Contras, Psycho-Selbsttests wie "Bin ich ein potenzieller Serienmörder?" und "Experten"-Tipps, zum Beispiel rund ums Reisegepäck:
Nie mit leerem Magen Koffer packen! Ich habe schon mal eine XXL-Heißluftfritteuse eingepackt und konnte sie während meiner Zwölf-Tage-Trekkingtour über das Kilimandscharo-Massiv überhaupt nicht gebrauchen. Leseprobe
Packen Sie doch stattdessen lieber diese leichte Lektüre ein. "Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anders" ist eher nichts für Feingeister, die am liebsten zwischen den Zeilen lesen und nur den ganz subtilen Humor schätzen. Wer pointierte Situationskomik mag, ein Herz fürs Trashige hat und auch mal eine Prise Flachwitz verkraften und umarmen kann, der sollte dagegen beherzt zugreifen.
Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes
- Seitenzahl:
- 224 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von Maja Pflug
- Verlag:
- Rowohlt Hundert Augen
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00203-9
- Preis:
- 22 €