Roman "Tahara": Satirische Liebeserklärung ans Filmfest Cannes
"Der Trick" von Emanuel Bergmann war ein großartiges Debüt, dazu ein internationaler Erfolg, denn es wurde gleich in 17 Sprachen übersetzt. Nun ist Emanuel Bergmanns zweites Buch erschienen: "Tahara".
Wie seit vielen Jahren kommt der Filmjournalist Marcel Klein wieder zum Filmfestival nach Cannes. Klein ist Cineast durch und durch, das Kino bestimmt sein Leben.
Schon in seiner Jugend hatte Marcel sich in Träume geflüchtet. Er war ein unglückliches Kind gewesen. Also schaute er sich Filme an. Dabei ahnte er, dass es auch Menschen geben musste, die ihre Sommernachmittage nicht in dunklen Sälen verbrachten, die stattdessen die Nähe anderer suchten. Für Marcel war Kino mehr als ein Hobby. Es war eine Sucht. Leseprobe
Spiel mit Sprache und autobiografischen Ideen
Klein gilt als Star seiner Branche. Seine prominenten Interviewpartner schätzen die Gespräche mit "Mister Hollywood". Und in Cannes ist er mit John Travolta, Ewan McGregor, Steven Spielberg und Martin Scorsese verabredet. Aber diesmal kommt alles anders. Mehr als sonst stößt Marcel Klein sich an der Wichtigtuerei seiner Branche und der Oberflächlichkeit des Film-Business. Die Begegnung mit der ebenfalls kinoverrückten Héloïse bringt sein Leben völlig durcheinander.
Sie trat aus dem Hotel in die Sonne und schaute sich suchend um, hielt eine Hand über ihr Gesicht. Blasser Teint, schwarzes Haar, das ihr in dichten Locken über die Schultern fiel (...). Was ihm jedoch auf Anhieb gefiel, war die Melancholie, die sie umgab. Leseprobe
Bald nach diesem filmreifen Auftritt schlittern die beiden in eine leidenschaftliche Affäre. Bergmann, der auch - wie sein Romanheld - bis vor Kurzem im Filmgeschäft in Los Angeles tätig war, spielt in "Tahara" geschickt mit sprachlichen Klischees, vor allem bei den Schilderungen von Sex- und Liebesszenen. Er spart nicht mit Filmzitaten und Anspielungen auf das Kino.
Liebe auf Zeit
Viele Szenen - Slapstickeinlagen inklusive - sind so leinwandgerecht, dass man beim Lesen direkt zum Popcorn greifen möchte.
Héloïse kam auf ihn zu. Sie trug ein schlichtes schwarzes Abendkleid, ähnlich wie Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany". Leseprobe
Héloïse und Marcel reiben sich gegenseitig auf in ihrem Verlangen nach Nähe, die sie aber auch kaum ertragen. Sie klammern sich aneinander: Marcel zunehmend in der Hoffnung auf ein Leben zu zweit. Héloïse im Wissen, keine Zukunft mit ihm planen zu wollen. Oder besser: nicht zu können.
Der Schlüssel in der eigenen Geschichte
Bergmann erzählt keine simple, beziehungsweise komplizierte, love story. "Tahara" ist vor allem eine Felix-Krull-Geschichte, denn der Bonvivant Marcel lebt auf zu großem Fuß. In Cannes entgleitet ihm ein wichtiges Interview und er gerät in Verruf.
Er hatte im Grunde nichts anderes getan, als diesem kranken korrupten System einen Spiegel vorzuhalten. Er war kein Betrüger, er war ein Satiriker, der die unechte Scheinwelt zu enttarnen suchte. Leseprobe
Die Schlinge zieht sich immer weiter zu. Probeweise begeben sich Marcel und Héloïse auf ein rasantes Roadmovie. In "Tahara" zieht Bergmann alle Register erzählerischen Könnens. Der Handlung zugrunde liegen vor allem die Lebens-Geheimnisse, die Héloïse und Marcel lange voreinander verbergen. Ohne zuviel verraten zu wollen: Bei Marcel liegt der Schlüssel in der Beziehung zum verstorbenen Vater. Hier spielt die nach jüdischem Brauch rituelle Waschung des Toten, "Tahara", eine wichtige Rolle. Und weil Bergmann ein Meister der Spannungsdramaturgie ist, führt er das Motiv auf stimmige Weise weiter und am Ende alle Fäden zusammen. "Tahara" ist eine satirische Liebeserklärung ans Kino, verpackt in eine spannungsgeladene und melancholische Romanhandlung.
Tahara
- Seitenzahl:
- 288 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Diogenes
- Bestellnummer:
- 978-3-257-07243-3
- Preis:
- 25 €