Roman "Mann vom Meer": Thomas Mann und die Liebe seines Lebens
Volker Weidermann schreibt unterhaltsam und berührend über den Nobelpreisträger, für den das Meer ein Ort der Verheißung und der Sehnsucht war. "Mann vom Meer" ist aufwendig recherchiert, leicht und einfühlsam im Ton.
Das Meer ist für Thomas Mann zeitlebens ein Ort der Verheißung und der Sehnsucht. Hier hat er es gewagt, sich in junge Männer zu verlieben und manchmal sogar seine antrainierte Versteinerung zu verlassen. Entspannt, fast lässig wirkt er auf Strandfotos. Und er gab diese tiefe Liebe auch seiner jüngsten Tochter Elisabeth mit:
Ein bisschen Angst hatte sie schon. Sie wusste ja, dass es ein großer Moment war. Vor allem für ihn, für Herrpapale, wie sie ihren Vater nennt. Sie wusste ja so gut, wie sehr er das Meer liebte. Immer wieder hatte er ihr davon erzählt, von diesem großen Blau, der Weite, seinen Ferien in Travemünde, als er klein und glücklich war. Und jetzt war endlich der Moment, in dem er es ihr wirklich zeigen konnte. Sein Meer. Die Ostsee. Leseprobe
Für Volker Weidermann beginnt die Geschichte jedoch nicht an der Ostsee, sondern viele Jahre früher und tausende Kilometer entfernt. Als die Mutter Julia noch in Brasilien lebt, wo sie geboren wurde und erste glückliche Jahre verbrachte. Dort, 250 Kilometer südlich von Rio de Janeiro, am Atlantik:
Das Meer leuchtet. Viele kleine Flammen fliegen aus der Luft ins Wasser und verlöschen dort. Es ist früher Abend, die Sonne ist gerade untergegangen, am Strand stehen jede Menge Kinder und schauen aufs Meer. Der alte Mann schießt ein kleines Feuer nach dem anderen in die dunkle Luft. Es sind längliche Papierröllchen, die er nacheinander angezündet und wie Glühwürmchen in die Freiheit entlassen hat. Leseprobe
Manns Liebe für die Ostsee und für seine Heimatstadt Lübeck
Volker Weidermann liebt Literatur und ziemlich sicher verehrt er Thomas Mann. Jeder seiner Sätze atmet seinen Respekt vor dem großen Autor. Chronologisch hangelt er sich durch dessen Leben und künstlerisches Schaffen und verbindet es immer wieder geschickt mit dem Meeresthema. Vor allem beschreibt Weidermann, wie unbeschwert sich Thomas Mann Zeit seines Lebens am Meer fühlte.
Thomas Mann, so schreibt Volker Weidermann, hat seine Liebe zum Meer vielen seiner Romanfiguren eingeschrieben, am direktesten Hanno Buddenbrook. Der Schriftsteller ließ sich auch immer wieder von allen Meeren, an denen er lebte oder die er besuchte, für seine Literatur inspirieren. Sein Herz aber gehörte wahrscheinlich doch der Ostsee und seiner Heimatstadt Lübeck, wie er 1955 gestand: "Als ich hier war, im Jahr 1926, zum 700-jährigen Jubiläum Lübecks, da versuchte ich mich an einem Vortrag 'Lübeck als geistige Lebensform'. Worin ich meinen Zuhörern und mir selbst bekannte, dass ich die hanseatische Heimat, dass ich Lübeck mit mir genommen habe, wohin und wie weit ich ging."
Nicht nur für Thomas-Mann-Fans lesenswert
Volker Weidermanns "Mann vom Meer" ist aufwendig recherchiert, leicht und einfühlsam im Ton. Elegant verbindet Weidermann Zitate aus Thomas Manns Romanen und Tagebüchern mit seiner eigenen erzählenden Interpretation. Das ist sehr unterhaltsam, farbig und berührend. Und ganz und gar nicht nur für Thomas-Mann-Fans geeignet.
Mann vom Meer
- Seitenzahl:
- 240 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Kiepenheuer & Witsch
- Bestellnummer:
- 978-3-462-00231-7
- Preis:
- 23 €