Neue Graphic Novels für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren
Der Comic "Völlig meschugge?!" handelt von Freundschaft, Vorurteilen und Antisemitismus, in "El Taubinio" tauchen wir ein in die Welt eines gehörlosen Mädchens, und "Smile" liefert herzerwärmende Erkenntnisse über die Pubertät.
"Völlig meschugge?!" von Andreas Steinhöfel und Melanie Garanin
Eigentlich sind sie beste Freunde, helfen sich gegen Schulhof-Bullys oder bei hyperengagierten Demos, und sie bauen gemeinsam die Modelleisenbahnlandschaft ihrer Träume: Hamid, syrischer Flüchtling, Charly, vegane Umweltaktivistin, und Benny, dem immer alles gelingt. Nach dem Tod seines Großvaters beginnt Benny, dessen Davidstern zu tragen - und damit geht der Zoff los. Als Benny sagt, dass er Jude ist, macht Hamid dicht: Für ihn sind "Juden schuld, dass es vielen Arabern schlecht geht". Benny gibt zurück, dass Hamid keine Ahnung habe, was ein Jude überhaupt ist. Streit zwischen den Freunden und in den Familien, Anfeindungen in der Schule, kriminelle Verwicklungen - die Lage scheint verfahren. Denn die Erwachsenen sind hier ratlos oder verpeilt. Zum Glück gibt Charly nicht auf. Aus ihrer Sicht erzählt Autor Andreas Steinhöfel hier die Geschichte, anders als in der gleichnamigen ZDF-Serie.
Insgesamt kommt das Buch manchmal ein wenig zu didaktisch rüber - aber etwas über Judentum und Islam zu erfahren, versöhnende Worte zu hören, da wiegt der Nutzen den Ton auf. Und die Zeichnungen von Melanie Garanin sind so witzig und schwungvoll, dass der Ton nicht zu steif wirkt, sondern fast bewegter und bewegender als die Fernsehserie.
"El Taubinio" von Cece Bell
Die kleine Cece verliert durch eine Hirnhautentzündung ihr Gehör. Sie muss mühsam lernen, wie sie Menschen verstehen kann, Lippen lesen und in der Schule auf die Hilfe der Lehrer setzen. Dank eines Hörgeräts kann sie zwar wieder wahrnehmen, was ihre Familie und Freunde so sagen - aber sie findet das riesige Gerät unglaublich hässlich. Erst als sie merkt, dass sie damit ein viel besseres Gehör hat als alle anderen, ein Supergehör, freundet sie sich damit an und wird zur Superheldin El Taubinio, zumindest in ihrer Fantasie.
Die Amerikanerin Cece Bell erzählt in der Graphic Novel ihre eigene Geschichte. Mit einfallsreichen Bildern illustriert sie ihre Verständnisschwierigkeiten: dass Menschen sich anhören, als redeten sie unter Wasser - und im Bild tauchen alle durchs Meer, beispielsweise. Dass sie sich fühlt wie auf einem eigenen Planeten - und genau dort ist sie auch abgebildet, durchs Weltall schwebend. Cece Bell vermittelt so sensibel wie komisch, wie es sich anfühlt, als gehörloses Kind durch die Welt zu gehen - und sie auf ganz eigene Weise zu erobern.
"Smile" von Raina Telgemeier
Auch "Smile", wie "El Taubinio", in der neu gestarteten Reihe Loewe Graphix erschienen, dreht sich um ein Mädchen mit einer Art Behinderung: Raina hat sich bei einem Sturz die Vorderzähne ausgeschlagen und muss eine jahrelange Zahnbehandlung über sich ergehen lassen. Wann auch immer es heißt: "smile!", muss sie passen. Aber keine Sorge vor zu großer Betroffenheit, dafür ist die Protagonistin viel zu ironisch und sind die Zeichnungen viel zu drastisch: Raina Telgemeier - auch diese Geschichte ist autobiografisch - nimmt uns mit zu endlosen, schmerzhaften Operationen und tiefen (Röntgen-)Blicken in ihren Mund. Wer jemals mit einer nachstellbaren Zahnspange samt Gummibändern zu tun hatte, kann all das nachvollziehen - und wegen der einfallsreichen Bilder prima darüber lachen. Aber nicht nur das Leben mit der zahntechnischen Beeinträchtigung, sondern auch als Teenager generell ist nicht einfach - auch dazu liefert "Smile" einige herzerwärmende Erkenntnisse.