Sendedatum: 03.10.2011 17:40 Uhr

Neo Rauch

von Martina Kothe

Viele selten gezeigte Gemälde des Leipziger Malers Neo Rauch sind bis Mitte September in einer Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden gezeigt worden. Die rund 40 Hauptwerke des Künstlers aus den letzten 20 Jahren hat Kurator Werner Spies ausgewählt. Dokumentiert werden sie in dem Band mit dem Titel "Neo Rauch". Martina Kothe stellt ihn vor.

Aus dem Jahr 1997 ist das Bild "Vorführer", das auch auf dem Einband zum Katalog zu sehen ist. Zwei Männer heben vor einem blauen Hintergrund apfelförmige, flache Boxen an, den einen könnte man, wie eine Anziehpuppe, mit dem anderen "bekleiden", an Schultern, Armen und Beinen, sind Streifen - in für diese Papierpuppen typischer Form, freigelassen.

Sie sind in sich gekehrt - wie eigentlich alle Figuren, die Neo Rauch malt, scheinen die Dargestellten gelassen in ihre Arbeit vertieft - so sinnlos diese auch wirken mag.

Wucht in der Farbe

Dem Schwermut, der vielen seiner Bilder innewohnt, widerspricht die Wucht der Farben, die Größe der Leinwand. In dem sorgfältig editierten Band werden den Texten von Werner Spies, Durs Grünbein, oder Andreas Platthaus, Fotografien aus Neo Rauchs Atelier in der Leipziger Baumwollspinnerei gegenübergestellt.

Hier zeigt sich, wie der Maler arbeitet. Die Leinwände lehnen an den Wänden. In der Mitte des Raums hängt ein Sandsack, daneben alte Sessel, farbbekleckerte Stühle, am Fenster ein Stehpult. Vor einer noch fast weißen Leinwand, die ihn um Meter überragt, steht Neo Rauch, die Hände in Arbeitshandschuhen. Eine fast martialische Spannung geht von dem Bild aus.

Neo Rauch, Künstler © MDR / EIGEN + ART / Uwe Walter Foto: Uwe Walter
Neo Rauch, Künstler

Neo Rauch: "Für mich ist eine physische Komponente auch wesentlich. Daher auch meine Neigung zu größeren Formaten. Ich muss leider sagen, dass mir das klein- und Kleinstformate aufgrund dessen immer wieder Schwierigkeiten bereitet. Ich liebe Miniaturen und ich leide nur darunter, dass ich selbst kein Meister darin bin, weil mir eben dieser physische Aspekt fehlt. Ich stehe sehr sehr gern vor einer riesigen weißen Fläche und genieße die Herausforderung, die von ihr ausgeht."

Die "Schlacht" um die Leinwand

Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Fläche und dem Motiv kann sich, so Neo Rauch zu einem regelrechten Kampf ausweiten - besonders, seit er für sich beschlossen hat, keine Leinwand "aufzugeben".

Neo Rauch hat beschlossen: "... mir von so einem Stück bemalter Leinwand nicht sagen zu lassen: Du hast mich nicht bezwungen, du hast mich nicht bewältigt. Wo kämen wir denn da hin - sag ich mir - also, dass ich mir das bieten lasse. Da wird nichts aufgegeben, da wird keine Position geräumt. Jede Schlacht um ein Bild muss gewonnen werden."

Stilbildend für eine junge Generation

Kenntnisreich sind die Texte zur Arbeit Neo Rauchs. So beschreibt Durs Grünbein in seitenlanger Prosa das, was Rauch bei ihm mit seinen Bildern auslöst. Auf "Comicspurensuche" etwa begibt sich Andreas Platthaus und Peter-Klaus Schuster wagt den Sprung von "Rauch zu Runge" und sucht nach der romantischen Ironie im Werk des Leipziger Malers.

Seine Art zu Malen, die ungewöhnliche Farbigkeit, die Motivwahl, waren in den 90er-Jahren stilbildend. Eine Generation von jungen Malern und Kunstinteressierten sogen die Welt des Neo Rauch in sich auf. Die Entwicklung, die seine Arbeit in den letzten Jahren genommen hat, verdeutlicht das Buch in Wort und Bild.

Man weiß, er hat sich auf den Weg gemacht. Ob und wann Neo Rauch indes wieder eine so stimmige Welt findet, wie die, in der er sich in den 90er-Jahren bewegte, wird sich herausstellen.

Neo Rauch

von Werner Spies
Seitenzahl:
184 Seiten
Genre:
Bildband, Sachbuch
Verlag:
Hatje Cantz, 184 Seiten
Bestellnummer:
978-3775728300
Preis:
29,80 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 03.10.2011 | 17:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Malerei

Bildbände

NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Neo-Rauch,nbneorauch101.html
Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Neue Bücher 2024: Die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gibt es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur sucht Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Der Franzose Patrick Naudin und der Direktor der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek Robert Zapf bei der Übergabe von persönlichen Gegenständen aus dem Nachlass von Wolfgang Borchert. © NDR Foto: Peter Helling

Zurück in Hamburg: Wolfgang Borcherts Milchzahn und ein Wunschzettel

Die Mutter des Hamburger Autors überließ einst einer Deutschlehrerin in Frankreich ein paar persönliche Gegenstände ihres Sohnes. mehr