Krimi "Die Sehenden und die Toten": Mörderisches Wendland
Hinter dem Pseudonym Sia Piontek verbirgt sich eine erfahrene Autorin, die Lust auf etwas Neues hatte. Im Mittelpunkt ihres ersten Krimis steht eine Ermittlerin, die genau wie die Autorin einen Neuanfang wagt.
Carla Seidel war mal eine große Nummer. Erfolgreiche Ermittlerin in Hamburg, die eine spektakuläre Mordserie aufklären konnte. Aber vor zwei Jahren ist sie ins Wendland, ins Niemandsland zwischen Hitzacker und Dannenberg gezogen. Sia Piontek beschreibt die Gegend als idyllisch, als Urlaubsparadies. Krimi-Fans wissen allerdings genau: Idylle trügt fast immer. Und deshalb, findet Sia Piontek, ist das Wendland auch der beste Ort für Krimis: "Die haben diese friedvolle Weite, diese harmlose Unberührtheit (...). Aber sie haben natürlich hinter den Kulissen genau die gleichen Nickligkeiten, Auseinandersetzungen, leidvollen Schicksale, Geschichten, wie Sie sie überall finden können. Gerade diesen Kontrast zwischen dieser idyllischen, unberührten, friedvollen Natur (...) und dem, was sich dort an Gewalt abspielen kann, dieses Spannungsverhältnis finde ich total spannend."
Tatsächlich bricht Gewalt ins beschauliche Leben im Wendland ein. Der 18-jährige Justus wird ermordet, Sohn einer angesehenen Familie. Der Vater reagiert seltsam unbeteiligt auf den Tod seines einzigen Kindes, und seltsam ist auch, dass die Eltern ihren Sohn kaum zu kennen scheinen.
Carla Seidel: Analytische Ermittlerin mit Alkoholproblem
Sia Piontek erzählt vorwiegend aus der Sicht ihrer Protagonistin Carla. Die ist zupackend, sehr geradeaus, analytisch. Aber interessant wird die Figur vor allem durch ihre Widersprüche. Denn Carla kämpft mit einem Alkoholproblem, Panikattacken und Flashbacks. Die deuten auf eine gewaltvolle Beziehung in der Vergangenheit hin, über die die Leserinnen und Leser erst nach und nach mehr erfahren. Im aktuellen Fall führt eine ungewöhnliche Narbe bei der Leiche des Jungen zu ersten Hinweisen:
Zunächst sah sie für Carla aus wie eine unförmige rosafarbene Geschwulst von circa fünf Zentimetern Durchmesser, doch wenn man näher hinsah, konnte man so etwas wie ein A erkennen. Leseprobe
Später taucht auch noch ein Tattoo auf, das der Narbe verblüffend ähnelt - endlich eine Spur. Aber dann gerät Carlas Teenagertochter, die sich in die Ermittlungen eingemischt hat, in Gefahr. Und es häufen sich bedrohliche Anzeichen, dass Carlas Vergangenheit längst nicht abgeschlossen ist.
Sia Pionteks Charaktere entwickeln eine Eigendynamik
Sia Piontek ist eine erfahrene Autorin, die, so erzählt sie es in einem NDR Kultur-Interview, beim Schreiben ihres Krimidebüts noch einiges gelernt hat. Zum einen, dass ihre Charaktere erstmals eine Eigendynamik entwickelten und ungeplante Geschichten mitbrachten. "Und das andere ist, dass ich meine Krimis von vorne bis hinten komplett durchplotte, weil ich es wichtig finde, die Motivation der einzelnen Figuren sauber zu kriegen und um die falschen Fährten so gut legen zu können, dass das hinterher auch ineinander verzahnt ist und sich wie ein Puzzle zusammenfügt."
Und das ist Sia Piontek wirklich gelungen: keine losen Fäden am Ende, keine Fährten, die nirgendwo hinführen. Dafür ein Cliffhanger, der wie aus dem Nichts auftaucht und das Adrenalin am Ende nochmal ansteigen lässt. Der zweite Band der Carla-Seidel-Reihe ist bereits geschrieben und ein dritter ist in Planung.
Die Sehenden und die Toten
- Seitenzahl:
- 416 Seiten
- Genre:
- Krimi
- Verlag:
- Goldmann
- Bestellnummer:
- 978-3-442-20664-3
- Preis:
- 17 €