"Die Kunst des Verschwindens": Eine erzählerische Wundertüte
In Melanie Raabes neuem Roman geht es rasant zu: Krimi, Roadmovie, Fantasy, Psychostudie gepaart mit einer Prise magischem Realismus. Das ist spannend, berührend und liest sich wie im Rausch.
Mit ihrem ersten Thriller "Die Falle" wurde Melanie Raabe 2015 quasi über Nacht zur neuen deutschen "Krimi-Queen". Auch ihre drei anderen Krimis kamen sowohl bei Leserinnen und Lesern als auch Kritikern sehr gut an und wurden in 22 Sprachen übersetzt. Mit ihrem neuen Buch hat sich Melanie Raabe etwas getraut: "Jetzt fand ich es so schön, dass ich ein Buch schreiben durfte, in dem wirklich und wahrhaftig alles möglich ist. Alles! Ohne Genregrenzen", erzählt die Autorin im Verlags-Talk auf der Frankfurter Buchmesse. Im Corona-Lockdown, als das Buch entstand, wollte sie sich einfach nur "wegträumen". Ganz neu war der Gedanke aber nicht: "Ich glaube, es ist so ein bisschen eine Weiterentwicklung von dem, was ich vorher gemacht habe. Aber ich habe es jetzt auf die Spitze getrieben."
Der Star und die Träumerin
In "Die Kunst des Verschwindens" geht es um zwei Frauen: Ellen und Nico. Ellen ist eine bekannte Schauspielerin und reist nach Berlin, um ihre neue Serie zu promoten. Nico ist Fotografin und lebt in der deutschen Hauptstadt.
Zu Beginn des Romans erzählen Ellen und Nico abwechselnd. So unterschiedlich die beiden auf den ersten Blick scheinen - der Star und die Träumerin -, fühlen sie sich gleich voneinander angezogen, als sie sich das erste Mal begegnen:
"Dieses Gesicht jedoch ist so besonders, dass es mir erneut den Atem verschlägt. Und einen Augenblick lang kommt es mir so vor, als wäre die junge Frau, die da vor mir steht, über meinen Anblick ebenso erstaunt wie ich über ihren. Ihre Brauen heben, ihre Augen weiten sich ein bisschen. Als würden wir uns kennen und sie wäre überrascht, mich hier zu sehen. Leseprobe
"Die Kunst des Verschwindens": Ein geglücktes Experiment
In den darauffolgenden Tagen laufen sie sich immer wieder über den Weg - und spüren, dass sie etwas verbindet. Doch dann kippt die Geschichte: Ellen verschwindet spurlos. Von diesem Punkt an öffnet Melanie Raabe eine erzählerische Wundertüte.
Natürlich macht sich Nico auf die Suche nach Ellen und erzählt die Geschichte alleine weiter. Es wird rasant: Krimi, Roadmovie, Fantasy, Psychostudie gepaart mit einer Prise magischem Realismus - in Brügge, Paris und an der französischen Küste. Gleichzeitig entblättert Melanie Raabe immer weiter, was Ellen und Nico eigentlich verbindet. Das ist spannend, berührend und liest sich wie im Rausch. Allerdings wäre tatsächlich manchmal etwas weniger mehr gewesen.
Trotzdem ein geglücktes Experiment, mit dem man "zwischen den Jahren" unterhaltsame Stunden auf der Couch verbringen kann:
Mir gefällt der Gedanke, dass die Zeit kein einziger gewaltiger Strom ist, dem man nicht entgehen kann, der keine Müdigkeit kennt, keine Gnade, der keine Ausnahmen macht, der einfach durchs Universum walzt, erbarmungslos und kalt, sondern dass da eine Lücke ist zwischen den Jahren. Eine Atempause. Leseprobe
Die Kunst des Verschwindens
- Seitenzahl:
- 400 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- btb
- Bestellnummer:
- 978-3-442-75929-3
- Preis:
- 22 €