"Die Chronistin der Meere" von Patrik Svensson: Bildstark und lebendig
Die Kindheitserinnerung "Das Evangelium der Aale" wurde 2020 zu einem überraschenden Bestseller. Jetzt hat Patrik Svensson ein neues Buch geschrieben, in dem es wieder um Wasserwesen geht: "Die Chronistin der Meere".
Schon in seinem vorherigen Buch erwähnte Patrik Svensson die berühmte amerikanische Meeresforscherin und Umweltschützerin Rachel Carson. Jetzt ist sie diejenige, die im Titel gemeint ist: die "Chronistin der Meere". Es ist bemerkenswert, zu welcher Höchstform Autoren und Autorinnen auflaufen, wenn sie über Rachel Carson schreiben - über die inspirierende, berührende Erzählkraft ihrer Veröffentlichungen. Maria Popova hat das in ihren "Findungen" vor ein paar Jahren schon gemacht und nun der Schwede Patrik Svensson:
"Rachel Carson meinte, dass das Meer einen daran erinnere, dass alles in Bewegung ist. 'Der besondere Zauber des Meers', sagte sie etwa in einem Vortrag 1951 in New York, 'liegt darin, dass es ein Ort ist, an dem man spürt, wie alt die Erde ist. Sie mag einem unveränderlich vorkommen. Doch sie verändert sich permanent.'" Leseprobe
"Die Chronistin der Meere" über die Wissenschaftlerin Rachel Carson
Das Meer war für Rachel Carson ein Ort für Bescheidenheit und Zuversicht. Vieles wird weggespült, als hätte es nie existiert:
"Die Zeit ist wie das Meer, sie enthält alles, was vor uns war, und früher oder später werden wir von ihren Strömungen davongetragen, die die Spuren unserer Existenz löschen. Das Meer ist nicht für uns da, wir sind dank seiner da, und deshalb ist die Verwundbarkeit des Meeres auch unsere eigene." Leseprobe
Svensson erzählt auch vom Leben dieser großen Wissenschaftlerin, die sich ihren Weg zum Studium hart erkämpfen musste, ehe sie 1951 ihr Buch "Die Geheimnisse des Meeres" publizieren konnte. Er beschreibt ihre zärtliche Liebes- und Freundschaftsfähigkeit, die sich in den von ihr überlieferten Briefen ausdrückt. Man verwischt durchaus die ein oder andere Träne beim Lesen, wenn Svensson von ihrem Abschied aus der Welt erzählt. Es gehört vielleicht nicht wirklich in diese Rezension, aber ich habe mir jetzt alle Bücher von Rachel Carson, die zu bekommen waren, besorgt. Auch das ist doch eine erstaunliche Wirkung eines Textes - in diesem Fall eines Kapitels.
Patrik Svensson feiert das Meer in zehn Kapiteln
Patrik Svenssons Buch hat insgesamt zehn Kapitel: Jedes ist einem anderen Aspekt der Meereskunde gewidmet. Es geht um den Rhythmus des Meeres, um Quallen und Grönlandhaie. Er porträtiert Menschen, die als furchtlose Entdecker wie Ferdinand Magellan unterwegs waren oder vom Meer besessen wie der schottische Bäcker Robert Dick, der im 19. Jahrhundert auf eigene Faust das Meer auslotete. Mit seinen Entdeckungen gilt er heute als Schattengestalt in der Geschichte der Naturwissenschaften.
Patrik Svensson feiert als bildstarker, lebendiger Erzähler die größten Meereswesen wie den Pottwal ebenso wie die allerkleinsten. Das ist eine schöne Lektüre und geeignet, eine besondere Beziehung zum Meer, seiner Faszination und seiner Poesie zu entwickeln oder aufzuwecken. Da geht es um die Tiefe, um Neugier, Staunen und Demut. Der Stil des Buches ist eine gekonnte Mischung aus literarischer und journalistischer Sprache - in ein zeitgemäß geschliffenes Deutsch ohne komplizierte Grammatikformen übersetzt von Thomas Altefrohne und Hanna Granz.
Die Chronistin der Meere
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Schwedischen von Thomas Altefrohne und Hanna Granz
- Verlag:
- Hanser
- Veröffentlichungsdatum:
- 24. Juli 2023
- Bestellnummer:
- 978-3-446-27783-0
- Preis:
- 24 €