Die Schönheit des Verfalls
Kostbarkeiten, die auf dem Meeresboden schlummern. Skelette. Oder Muränen, die um die Bordwand schauen... Schiffswracks faszinieren, locken Taucher und Plünderer an, oder einfach nur Schaulustige mit einem Sinn für Industrie-Romantik, wenn ein Wrack wie aufgebahrt am Strand liegt.
Seeleute meiden die toten Schiffe eigentlich - die bringen Unglück. Nicht so Ulf Wolter, als Kapitän der Expeditionskreuzfahrtschiffe Hanseatic und Bremen auf den Weltmeeren unterwegs. Mit dem Fotograf Jürgen Hohmuth zusammen hat er ein bildschönes Wrackbuch herausgegeben - "Wracks am Ende der Welt. Der Schiffsfriedhof um Kap Hoorn":
Faszinierende Schiffswracks
Rost, der in der Sonne glüht. Leuchtend rotbraun vor dem Blau des Himmels und des Wassers. Eine Ankerkette, soweit aufgelöst, dass die Risse an einen alten Baum erinnern. Felsenkormorane, die auf maroden Eisenstreben nisten. "Wracks am Ende der Welt" zeigt die Schönheit im Verfall.
"Wenn du alt werden willst, dann meide Kap Hoorn und reffe rechtzeitig die Segel", heißt eine alte Seemannsweisheit. Der südlichste Punkt Südamerikas gilt als einer der größten Schiffsfriedhöfe der Welt. An 300 Tagen im Jahr tobt hier Wind in Sturmstärke12, Wellenfelder bis zu 20, 30 Meter hoch.
Ungewöhnliches Projekt
Mehr als 800 Schiffe und 10.000 Menschen haben hier ihr Leben gelassen, berichtet Kapitän Ulf Wolter, der die Texte zu Jürgen Hohmuths Fotos geschrieben hat. Die beiden sind befreundet und zusammen auf die Reise gegangen für diesen ungewöhnlichen Bildband. Nicht nur das Sujet, auch dass hier ein Kenner der Materie, ein Seebär, die Bilder kommentiert, macht das Buch so besonders.
Leseprobe:
"Am Abend des 29. April 2003 schlug das Schicksal in der Cumberland East Bay gleich doppelt zu. Zwei Hochseefischer liefen während eines Orkans nahezu zeitgleich auf derselben Untiefe auf Grund und gerieten in Seenot. Das unglaubliche Unglück geschah, obwohl beide Schiffe mit modernstem Navigationsgerät ausgerüstet waren und das Riff in der Seekarte verzeichnet ist. (..) Beide Besatzungen mussten eine Zeitlang an Bord auf dem Riff festsitzend ausharren. Am nächsten Morgen setzte Wetterberuhigung ein und alle Besatzungsmitglieder konnten unbeschadet geborgen werden."
Im 30-Grad-Winkel liegen sie bis heute friedlich nebeneinander, vor einer kargen, menschenleeren Gletscherlandschaft. Eines der Detailfotos zeigt eine erstaunlich gut erhaltene weiße Strickleiter vor der Bordwand des einen Fischerboots. Der Rost wirkt wie Gesteinsschichten oder rote Erde. Jedenfalls erinnert er mehr an etwas Lebendiges als an ein totes Schiff.
Eindrucksvolle Bilder und Geschichten
Es sind eindrucksvolle Bilder und tragische, kuriose Geschichten dahinter. Segelschiffe aus dem 19. Jahrhundert, Dreimastbarken, Hochseefischer, Teeklipper, und Walfangschlepper, die jetzt an Land selbst aussehen wie das Gerippe eines gestrandeten Wals.
"Jedes Wrack ist anders. Jeder Weg dahin war es auch", erzählt der Fotograf Jürgen Hohmuth im Nachwort. "Für die Aufnahmen der Logos war ich fünf Tage unterwegs. Nachdem ich als illegaler Passagier auf einer Segelyacht die Aufnahmen im Kasten hatte, wurde ich wie Robinson Crusoe auf der Isla Navarino ausgesetzt. Nur dass es auf dieser Insel den Ort Puerto Williams gab und ein Weg dahin führen sollte."
Nach mehreren Tagen Urwaldkletterei kam er schließlich an. Das Ergebnis: Ein Bildband, der Ästhetik, Verfall, Abenteuer und Ruhe zugleich ausstrahlt.
Wracks am Ende der Welt. Der Schiffsfriedhof um Kap Hoorn
- Seitenzahl:
- 144 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Verlag:
- Koehler und Amelang
- Bestellnummer:
- 978-3-733-80386-5
- Preis:
- 39,90 €