Der Baader Meinhof Komplex
Die Revolution sagt: "Ich war, ich bin, ich werde sein". Dieses Zitat steht in der Auflösungserklärung der Terrorgruppe RAF vom 20. April 1998. 28 Jahre hatte die Geschichte des bewaffneten Kampfs einer selbsternannten Elite gegen den Staat gedauert. Der Journalist Stefan Aust hat dazu das Standardwerk geschrieben. Nun ist "Der Baader-Meinhof-Komplex" ist in der revidierten, dritten Auflage erschienen.
Journalistin wird zur Fanatikerin
"Die Frage, ob es richtig ist, bewaffnete, das heißt illegale Widerstandsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland zu organisieren, ist die Frage, ob es möglich ist." Diese Sätze stammen von Ulrike Meinhof, Gründungsmitglied der Roten Armee Fraktion. Ihr Weg von der kritischen linken Journalistin zur verblendeten Fanatikerin, die in menschenverachtendem Ton bewaffnete Gewalt rechtfertigte, beschäftigt den Journalisten Stefan Aust seit 40 Jahren. Er kannte Ulrike Meinhof aus seiner Zeit beim Magazin Konkret. "Wenn dann Leute, die man ganz gut kennt, plötzlich in den Untergrund abtauchen, hab' ich es für ziemlich wahnsinnig gehalten", so Aust.
Aust war persönlich involviert - im Jahr 1970 befreite er die sieben Jahre alten Zwillingstöchter von Ulrike Meinhof. Die waren von Raf-Sympathisanten nach Sizilien gebracht worden, um später zu Untergrundkämpferinnen ausgebildet zu werden. "Da gab es eine Telefonnummer und ein Kennwort. Wir haben da angerufen, ich bin runtergeflogen und habe so getan, als ob ich zur Gruppe gehöre, die Kinder in Empfang genommen und mit der Eisenbahn mit denen von Palermo aus nach Rom gefahren."
Entscheidende Frage noch immer offen
Stefan Aust hat die aktuelle Ausgabe des "Baader-Meinhof-Komplex" um 100 Textseiten erweitert und angereichert mit 150 zum Teil bisher unveröffentlichten Fotos. Er hat Interviews eingearbeitet und sich noch intensiver mit den baulichen Gegebenheiten im Gefängnis Stuttgart Stammheim befasst. Bahnbrechend neue Erkenntnisse enthält der Band nicht. Die für Stefan Aust entscheidende Frage ist nach wie vor offen: Wurden Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin in der Nacht ihres Selbstmordes am 17. Oktober 1977 abgehört? "Wenn ein Tonband der Todesnacht existieren würde, dann wüsste man ja genau, was sich da abgespielt hat. Es ist ja bisher immer bestritten worden, dass in der Nacht abgehört wurde", so der Autor.
Entführung und Verschleppung
Im Herbst 1977 durchlebt die Bundesrepublik Deutschland ihre schwerste Krise: Die RAF verschleppt Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer - ein palästinensisches Terrorkommando entführt die Lufthansamaschine "Landshut". Ziel: Die Gefangenen aus Stammheim freizupressen. Doch die Regierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt bleibt hart: "Beenden Sie Ihr irsinniges Unternehmen. Sie irren sich. Wie werden uns von Ihrem Wahnsinn nicht anstecken lassen."
Selbstmord und Mord
Nach der Befreiung der Landshut nehmen sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe das Leben. Darauf ermorden die Terroristen Hanns Martin Schleyer. Wer die Schüsse abgab, ist ungeklärt. Doch Ex-RAF-Kader Peter Jürgen Boock, einer der Kronzeugen von Stefan Aust, nennt Stefan Wisnewski und Rolf Heißler als mutmaßliche Täter. "Wenn man hört, mit welcher Kälte das geschildert wird und auch noch in dieser Sprache von damals, dann fröstelt es einen", so Aust.
Was geschah wirklich?
Das Thema lässt Stefan Aust nicht los. Immer noch beschäftigt ihn die Frage: Was geschah in Stammheim in der Nacht zum 18. Oktober 1977? Möglicherweise liegt der Schlüssel in erst kürzlich aufgetauchten Unterlagen: "Jetzt sind die entsprechenden Behörden dabei, diese Akten zu sichern. Es ist ein langwieriger Prozess. Aber wir sind da ganz hoffnungsvoll, wenn ich das mal so sagen darf."
Der Baader Meinhof Komplex
- Seitenzahl:
- 672 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Goldmann Verlag
- Bestellnummer:
- 3.442.469.015
- Preis:
- 19,95 €