"Damals im Sommer": Berührender Roman über die erste große Liebe
Florian Gottschicks eigentliche Profession ist das Filmemachen. Das merkte man seinem literarischen Debüt "Henry" deutlich an und auch sein Roman ""Damals im Sommer" von 2023 ist sehr bildhaft, hat einen bemerkenswerten Spannungsbogen und verblüffenden Plot-Twist.
Gottschicks Ich-Erzähler ist 15, als er mit seinem etwas älteren Bruder Fer und den Eltern in die Sommerferien ans Meer fährt:
Wir verbrachten unsere Tage wie in einem Buch von John Irving. Ein Traum von einem wunderschönen, alten Haus, das Meer, das durch die Baumstämme schimmerte, und dazwischen Blaubeersträucher ohne Ende, von denen wir täglich unser Mittagessen pflückten. (...) Der letzte Schrei war es, die Blaubeeren frisch vom Busch zu essen und sich zwischendrin Sprühsahne direkt in den Mund zu sprühen. Leseprobe
Eine Begegnung, die alles verändern wird
Die Eltern sind viel mit sich beschäftigt; Mimi, die Mutter, ist dezent exzentrisch und der ältere Bruder selbstbewusst und gutaussehend. Ständig muss er dem Ich-Erzähler seine Überlegenheit demonstrieren. Immer scheinen die beiden in Konkurrenz zu stehen. So gehen die Tage ereignislos dahin. Bis zu einer Begegnung am Strand, die alles verändern wird:
Ein Stück von meinem Bruder entfernt lag ein Junge in einer schwarzen Badehose auf die Ellenbogen gestützt und schaute mich an. Ich blieb stehen, obwohl ich mir fast sicher war, dass er nicht mich meinte. Aber als ich lächelte, lächelte er zurück. Leseprobe
Der Junge heißt Filip, kommt aus Frankreich und ist ungefähr im Alter der beiden Brüder. Und es geht eine Anziehung von ihm aus, die den Ich-Erzähler nachhaltig beschäftigt.
Melancholische Erzählung mit sprachlichen Anlaufschwierigkeiten
"Damals im Sommer" ist eine berührende Coming-of-Age-Geschichte, die ein bisschen unter sprachlichen Anlaufschwierigkeiten leidet. Besonders im Prolog wirkt die Sprache etwas abgedroschen. So schreibt Gottschick beispielsweise, dass er schon drei Jahre vor seiner Volljährigkeit voll im Saft gestanden hätte. Glücklicherweise fängt sich der Autor und erzählt dann liebevoll melancholisch über den Sommer der ersten großen Liebe:
Dann beugte er sich zu mir, aber nicht schnell oder impulsiv, sondern mit Bedacht. Kurz bevor seine Lippen meine Lippen berührten, wurde er langsamer, als würde er jeden Millimeter auskosten und, nach einer Ewigkeit der Annäherung, küsste er mich. Es war mein erster Kuss. Nie zuvor hatte ich einen Jungen oder ein Mädchen geküsst. Leseprobe
Florian Gottschicks Roman überrascht am Ende
Der Erzähler verliebt sich und verbringt eine einzige, kostbare Nacht mit Filip. Er behandelt diese Nacht wie ein wertvolles Geheimnis. Alles scheint danach neu und aufregend zu sein, zum ersten Mal in seinem Leben fühlt er sich seinem Bruder ebenbürtig. Als der Urlaub vorbei ist, versuchen Filip und er, sich weiter nah zu bleiben. Doch dann geschieht eine Katastrophe, in deren Nachgang der Erzähler erfährt, dass nicht nur er selbst ein Geheimnis hütet.
"Damals im Sommer" ist voller Erste-Große-Liebe-Schwingungen, die beim Lesen zuverlässig ans Herz gehen. Florian Gottschicks schmaler Roman flirrt in der Sonne und überrascht am Ende.
Damals im Sommer
- Seitenzahl:
- 192 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Penguin
- Bestellnummer:
- 978-3-328-60143-2
- Preis:
- 18 €