Buchtipp: "Kaffee - Anbau, Handel und globale Genusskulturen"
Der Kieler Historiker Martin Krieger erzählt in seiner Geschichte des Kaffees, wie die Kaffeebohne aus dem fernen afrikanischen Urwald über die arabische Welt in unsere Tassen kam.
Der fein gemahlene Kaffee, vakuumverpackt zum Schutz des guten Aromas: Um 1900 sah das noch ganz anders aus, erzählt Martin Krieger: "Der Kolonialwarenhändler hat die frisch importierten Kaffeebohnen selbst geröstet und sie lose verkauft, oder er hat ungeröstete Kaffeebohnen verkauft, die dann in einer kleinen Pfanne zu Hause frisch geröstet wurden."
Doch wie die Bohne überhaupt nach Europa kam, ist eine lange Geschichte, vom anregenden Genussmittel einerseits und einem der wichtigsten Handelsgüter weltweit andererseits, die Martin Krieger mit viel Liebe zum Detail von der Wurzel an sozusagen rekonstruiert. "Aber wie wird Kaffee überhaupt entdeckt? Eines Tages soll ein Ziegenhirte in Äthiopien in der Provinz Kaffa bemerkt haben, dass seine Ziegen weg waren. Er läuft ihnen nach und findet diese Ziegen völlig aufgelöst, verwirrt, lebendig rumhüpfen und bemerkt dann, dass die Ziegen von einer merkwürdigen Pflanze gegessen hatten. Sie ahnen es schon - es ist die Kaffeepflanze. Er merkte, dass diese Kaffeekirschen irgendwas mit den Ziegen gemacht haben", so Krieger. Zurück im Tal bringt er die verdächtigen Früchte ins Kloster, wo die Mönche sie besser ins Feuer werfen. Der Duft gerösteter Bohnen steigt auf.
Dank Goethe: Die Entdeckung des Koffeins
Auch was im Zweiten Weltkrieg die koffeinhaltige Schokolade und schnell zubereitender Instantkaffee war, hatte seine Vorläufer: "Die Legenden besagen, dass die Stammeskrieger regelrechte Energiebällchen zu sich nahmen, also gemahlenen, geriebenen Kaffee, in Kugeln gepresst. Kaffee als Schmiermittel des Krieges."
Als Gabe des Himmels nutzen es dagegen die muslimischen Anhänger des Sufismus. Sie tranken Kaffee während ihrer Gebete, um nachts wach zu bleiben. Das dafür verantwortliche Koffein wiederum hat ein norddeutscher Gelehrter um 1820 entdeckt. Friedlieb Ferdinand Runge war eigentlich bei Goethe zu Gast, um ihm an den Augen seines Katers die Wirkung von Atropin zu demonstrieren: "Es soll Goethe gewesen sein, der den Chemiker Runge dazu inspirierte, das Koffein zu entdecken", sagt Krieger.
Jede Menge Fakten über Kaffee
Solche Geschichten hat Martin Krieger vergnügt zusammengetragen. Zugleich enthält sein Buch jede Menge Fakten - über historische Handelsrouten, die Entwicklung des Kaffeemarkts, Botanisches zur Pflanze, den Anbau von Kaffee oder ursprünglich orientalische Kaffeerituale und -kultur.
"Kaffeehäuser in Arabien waren immer auch politische Umschlagplätze", weiß Krieger. "Da wurde diskutiert, es wurde gegen den Sultan konspiriert, und entsprechend konnte es auch passieren, dass die Obrigkeit in Arabien oder im Osmanischen Reich das ein oder andere Kaffeehaus auch dicht machte."
Diese Lektüre macht Lust auf einen Kaffee
Das passierte auch in Europa, als dort später die ersten Kaffeehäuser aufmachten, die Martin Krieger anschaulich beschreibt: "Das erste Kaffeehaus in Hamburg gab es 1677. Das waren laute Kaschemmen, das war also noch nicht dieses gemütliche, gepflegte Wiener Kaffeehaus, wo in einer Urne der Kaffee stundenlang köchelte. Der muss also ziemlich bitter gewesen sein."
Noch im London der 1950er-Jahre soll das üblich gewesen sein, als die Kaffeemaschine schon erfunden war: "Es waren dann findige italienische Produzenten, die versuchten, ihre Espressomaschinen nach London zu schmuggeln. So entstanden dann in Londoner Kellerräumen die ersten original italienischen Kaffeebars."
Dass heute sowohl zunehmende Trockenheit als auch starke Regenfälle in den Anbaugebieten der einst im dichten Bergregenwald der Provinz Kaffa entdeckten Kaffeepflanzen zum Problem werden, ist ein Teil der oft auch nicht nur schönen Geschichte des Kaffees, deren Lektüre allerdings trotzdem Lust auf einen Kaffee macht.
Kaffee. Anbau, Handel und globale Genusskulturen
- Seitenzahl:
- 239 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Böhlau
- Bestellnummer:
- 978-3-412-52826-3
- Preis:
- 35 €