"Babettes Gastmahl": Tania Blixens Künstlernovelle neu übersetzt
Die Dänin Tania Blixen schrieb die Erzählung "Babettes Fest" zunächst auf Englisch. 1958 übersetzte sie diesen Text in einer überarbeiteten Version selbst ins Dänische. Erstaunlicherweise erscheint erst jetzt erstmals eine deutsche Übersetzung dieser Fassung.
Wir entdecken hier eine Künstlernovelle, die im Manesse Verlag in wundervoller Ausstattung erscheint. Mit einem Nachwort von Erik Fosnes Hansen, das ausführlich und kenntnisreich ist und den Zauber, das Rätselhafte, die Schönheit und Bedeutung des Textes vermittelt. Er führt uns in die karge Landschaft, in der die Erzählung spielt:
Ich befinde mich also in Nordnorwegen (…) nördlich der Lofoten. In seiner kargen Fischergemeinschaft, die sich beharrlich zwischen Stein und Wasser an eine ungastliche Küste mit einem reichen Meer klammert. Leseprobe
Ein Kunstwerk für ein Publikum ohne Kunstverstand
Es ist buchstäblich der Rand von allem, die Außengrenze der bewohnten Welt. Hier lebt eine fromme Gemeinde, deren Probst zwei schöne Töchter hat, Philippa und Martine, die so streng religiös leben, dass alle Bewerber um ihre Gunst daran abprallen. Einmal ist es General Löwenhielm, ein anderes Mal ein Opernsänger aus Paris, der die überirdisch schöne Stimme von Philippa ausbilden und mit ihr auf Tournee gehen möchte. Auch das wird aus Bescheidenheit abgelehnt. Jener Opernsänger schickt 1885 eine verfolgte Frau aus Paris hierher. Die Köchin Babette galt im legendären Café Anglais als begnadete Meisterin ihres Fachs. Nun wird sie in den nächsten Jahren Stockfisch zubereiten für Menschen, die jede Form von Genuss schon für Sünde halten.
Ein gesamtes Vermögen für ein einziges Festessen
Als Babette erfährt, dass der Lotterieschein, den sie im Gepäck hatte, ihr 10.000 Francs einbringt, beschließt sie, ein Festessen zu kochen. Die Gemeindemitglieder, die sie alle dazu einlädt, beschließen schon vorher, kein einziges Wort zu den Köstlichkeiten zu verlieren und stumm zu essen. Nur General Löwenhielm, der eher zufällig dazu kommt, begreift, dass hier ein großes Kunstwerk geschaffen wurde. Babette hat ihr gesamtes Vermögen dafür ausgegeben - für ein Publikum ohne Kunstverstand, das ihr nicht zujubelt und ihre Kochkunst hochleben lässt, sondern sie bemitleidet. Die Barrikadenstürmerin Babette, die für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kämpfte, braucht ein Publikum, das die Kenntnisse und die Bildung hat, um ihre Kunst würdigen zu können.
"Babettes Gastmahl": Ein Text voller Deutungsmöglichkeiten
Erik Fosnes Hansen schreibt in seinem Nachwort, dass auch die Künstlerin Tania Blixen posthum mit der geschliffenen Optik moderner Brillengläser gemustert wurde und ihrem Werk - wie vielen Klassikern - heute die Gefahr droht, verdammt zu werden. Vieles polarisiert in unserer Zeit.
"Entweder ist etwas repressiv oder nicht repressiv. Für manch einen oder eine ist es der alleinige Maßstab, mit dem Literatur und Kunst beurteilt werden: Inwieweit könnte sich jemand von etwas gekränkt fühlen oder nicht." Leseprobe
In diesem Sinne haben wir als Leser*innen die Wahl, den genussfreudigen General Löwenhielm als unseren Stellvertreter im Text zu sehen, der mit jeder Geschmacksknospe fühlt, dass hier wie im Paradies gekocht wurde, oder wir nehmen die Haltung der Pietistinnen ein, die sich selbst jede Lebenslust versagen. Der Text hat so viele Deutungsmöglichkeiten wie Sterne: nicht maximal 5 für die Küche - sondern am Himmelszelt.
Babettes Gastmahl
- Seitenzahl:
- 120 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Dänischen übersetzt und kommentiert von Ulrich Sonnenberg. Mit einem Nachwort von Erik Fosnes Hansen.
- Verlag:
- Manesse
- Bestellnummer:
- 978-3-7175-6001-2
- Preis:
- 20 €