"China und die Neuordnung der Welt": Supermacht als möglicher Mittler
Europa muss sich gegenüber China neu positionieren. Dafür plädiert die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik in "China und die Neuordnung der Welt". Ihr Buch ist für den NDR Sachbuchpreis nominiert.
So, wie wir China im Krieg, den Russland in der Ukraine führt, wahrnehmen, ist es nicht: kein Seit an Seit, keine starke Allianz. Stattdessen, so die Autorin Susanne Weigelin-Schwiedrzik in einem Interview mit der Zeitschrift "International", "stellt es sich auf eine dritte Position, die weder einseitig Russland unterstützt, noch einseitig die Ukraine beziehungsweise die USA."
In ihrem Buch "China und die Neuordnung der Welt" erläutert die Sinologie-Professorin:
"China ist nicht das einzige Land der Welt, das sich weder dem einen noch dem anderen Block im neuen Kalten Krieg zuordnen möchte. China ist aber vielleicht das einzige Land der Welt, das groß und einflussreich genug ist, um auf alle in diesen Krieg verstrickten Akteure einwirken zu können, das Denken und Handeln im Sinne der Kriegslogik durch eine aktive Suche nach Möglichkeiten zur Beendigung des Krieges zu ersetzen." Leseprobe
Nicht auf der Seite des Westens, aber für die Souveränität der Ukraine
Um dieses Ziel möglicherweise erreichen zu können, stellt sich China eben nicht deutlich auf die Seite des Westens, sondern enthält sich beispielsweise in UN-Resolutionen der Stimme. Aber: Es betont gleichzeitig die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine. Diese mittlere Position Chinas macht es auch zu einem möglichen Mittler, meint die Autorin, denn:
In ihrem ureigenen Interesse möchte die Volksrepublik, dass der Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich beendet wird. Leseprobe
Die Ukraine ist Chinas wichtigster Partner in seiner "Belt and Road Initiative", der sogenannten neuen Seidenstraße, mit der China die Welt durch Handelsrouten umspannt. Zudem haben ukrainische und chinesische Ingenieure intensiv bei der Entwicklung militärischer Kapazität zusammengearbeitet.
Kompetente und nachvollziehbare Analysen einer China-Kennerin
Hintergründe und Analysen wie diese führt Weigelin-Schwiedrzik kompetent, aber vor allem nachvollziehbar aus. Die Kennerin Chinas - seit fast 50 Jahren besucht sie das Land - tut sich in ihrem Buch nicht wichtig. Doch das, was sie sagt, ist es ungemein: Eine geopolitische Ordnung der heutigen Zeit, gerade im Angesicht des Kriegs in der Ukraine, muss China miteinbeziehen, positiv wie negativ. Die Autorin beschreibt Chinas Position im strategischen Dreieck mit den USA und Russland:
Dabei schrecken die chinesischen Eliten vor einer militärischen Allianz mit Russland vorerst noch zurück. Präsident Xi Jinping hat in seinem in Russland veröffentlichten Artikel kurz vor seiner Ankunft in Moskau im Frühjahr 2023 wieder einmal unterstrichen, das "neuartige Modell der Zusammenarbeit zwischen Großmächten" bestehe darin, dass man eben "keine Allianz bilde, sich nicht gegeneinander und auch nicht gegen Dritte wende". Die freundschaftliche Beziehung zwischen den beiden Großmächten diene ausschließlich dem gegenseitigen, vor allem wirtschaftlichen Vorteil. Leseprobe
China als Partner, Konkurrent und systemischer Rivale
Die Wirtschaft ist in vielen Belangen der entscheidende Punkt, auch was das Verhalten der EU gegenüber China betrifft. Wandel durch Handel, das war lange die Devise, und dementsprechend leichtherzig wurde China als wirtschaftlicher Player begrüßt, wurde das wirtschaftliche Denken vor die politische Wahrnehmung gestellt. Jetzt aber sehe, so Weigelin-Schwiedrzik, die EU ihr Verhältnis zu China als Partner, Konkurrent und systemischer Rivale.
Wirtschaftlich, so soll man diese Formulierung wohl verstehen, ist man, wenn alles gut geht, Partner. Auch in Umweltfragen, in denen man ohne die Zusammenarbeit mit China nicht weiterkommt, setzt man auf Partnerschaft. Wenn es in der Wirtschaft schwieriger läuft, gerät man in ein Konkurrenzverhältnis; im Bereich der Politik ist man Rivale. Hatte man 2008 während der Finanzkrise noch davon geschwärmt, dass China die Weltwirtschaft vor dem Untergang gerettet hatte, machte sich nun wieder die Angst vor der Gelben Gefahr breit. Leseprobe
Das Straucheln anderer als Chance
Denn, so die Autorin: China hat sofort erkannt, welche Chance die Weltfinanzkrise für ein Engagement bot. Besonders stark betroffenen Staaten griff China unter die Arme und konnte dadurch immer mehr in Europa investieren. Das Ergebnis sieht man zum Beispiel an den Eigentumsverhältnissen in Griechenland: Beim Hafen von Piräus ist China Mehrheitseigner.
Europa muss und kann sich gegenüber China neu positionieren, meint Weigelin-Schwiedrzik, denn mit Taiwan warte eine mögliche Feuerprobe:
China hofft auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine; Europa muss hoffen, dass es um Taiwan nicht zu einem Krieg kommt. Leseprobe
China und die Neuordnung der Welt
- Seitenzahl:
- 216 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Brandstätter
- Veröffentlichungsdatum:
- 4. September 2023
- Bestellnummer:
- 978-3710607387
- Preis:
- 22 Euro €