Solarindustrie: Chinesische Dominanz alarmiert die Politik
Die deutsche Solarindustrie war weltweit einmal spitze. Heute ist Europa in diesem Bereich von China abhängig. Hersteller hierzulande klagen darüber, dass chinesische Solarmodule zu Tiefstpreisen auf den Markt kommen.
"Im Moment ist es schwierig", sagt Uwe Krautwurst und blickt in die Produktionshalle. Roboterarme legen Solarzellen auf Platten, aus denen später Solarmodule werden. Es brummt und zischt. Der Marketingleiter von Heckert Solar spricht über die aktuelle Situation auf dem europäischen Solarmarkt. Asiatische Hersteller verkauften aktuell ihre Module zu Tiefstpreisen, meint er. "Wir können das Material am Markt gar nicht so günstig beschaffen, wie fertige Module bereits angeboten werden."
Wie bei vielen deutschen Solarmodulherstellern denken sie auch bei dem Chemnitzer Unternehmen darüber nach, Kurzarbeit für die Beschäftigten anmelden zu müssen, erzählt Uwe Krautwurst. Die Produktion ist bereits teilweise gedrosselt. Auch das ist offenbar bei vielen Modulherstellern hierzulande der Fall. Viele gibt es nicht mehr. Die meisten sind in den vergangenen 15 Jahren verschwunden. Im gleichen Zeitraum hat die chinesische Solarindustrie ihre globale Spitzenposition immer weiter ausgebaut. Laut International Energy Agency (IEA) haben chinesische Unternehmen bezogen auf jeden Fertigungsschritt der Photovoltaik-Industrie heute einen Marktanteil von mehr als 80 Prozent.
USA schotten sich ab
Das Unternehmen Meyer Burger produziert unter anderem in Sachsen-Anhalt. Statt dort die hochmoderne Zellfertigung auszubauen, hat der Hersteller vor Kurzem die Reißleine gezogen. Unternehmenschef Gunter Erfurt spekuliert, dass die Tiefpreise der chinesischen Hersteller nur mithilfe staatlicher Subventionen möglich seien. Er investiert jetzt in den USA. "Es gibt gegenüber den Handelspraktiken vor allem Chinas keinerlei Schutz. Deswegen gehen wir jetzt in die USA, weil die das Thema gelöst haben."
Die Amerikaner haben den Markt für chinesische Module teilweise abgeschottet. Hintergrund ist ein Gesetz, dass die Einfuhr von Produkten verhindern soll, die mit Zwangsarbeit in Xinjiang in Verbindung gebracht werden. Diese chinesische Provinz hat für die Solarindustrie eine große Bedeutung. Zusätzlich profitiert Meyer Burger in den USA von einem weiteren Gesetz. Über den sogenannten "Inflation Reduction Act" fließt viel Steuergeld in den Aufbau einer nationalen Photovoltaik-Produktion.
Das Problem sei aber nun, erzählt Gunter Erfurt, dass ein Großteil der chinesischen Module, die nicht mehr in die USA gelangen könnten, nun auf dem europäischen Markt landeten und die Preise ruinierten. Zusammen mit anderen Vertretern der europäischen Solarbranche hat er sich jüngst in einem Brief an die EU-Spitze gewandt und um Hilfe gebeten. Sie fordern - analog zu den USA - die Einfuhr von Modulen zu verhindern, in deren Fertigungsschritten Zwangsarbeit verzeichnet wurde. Gleichzeitig fordern Sie für ihre Produkte ein gesichertes Marktumfeld in Europa.
China bestreitet Zwangsarbeit
China beobachtet kritisch, was sich derzeit in Europa abspielt. Die Botschaft in Berlin teilt mit, alle aktuellen Subventionen "stehen voll im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation." Die Europäer hätten von der chinesischen Photovoltaik-Industrie profitiert, man hoffe, "dass Deutschland und Europa dies objektiv beurteilen". Der Hinweis bezieht sich offenbar darauf, dass durch die enormen chinesischen Herstellungskapazitäten der Durchschnittspreis für Solarmodule in den vergangenen Jahren weltweit massiv gefallen ist. Zwangsarbeit spiele in Xinjiang laut Botschaft keine Rolle. Es handle sich um "eine gewaltige Lüge, verbreitet von antichinesischen Akteuren, um China zu diskreditieren".
Wirtschaftsministerium will Milliarden investieren
Die chinesische Dominanz auf dem Solarsektor alarmiert mittlerweile auch die Politik. Gegenwärtig denken Bundesregierung und EU-Kommission über einen Wiederaufbau der europäischen Solarindustrie nach. Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, erscheint es als "keine kluge Strategie" von einem einzigen Land abhängig zu sein. Deswegen wolle man in Deutschland die Photovoltaik-Industrie wieder ansiedeln "und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette".
Im Rahmen eines Wettbewerbs will das Ministerium einen einstelligen Milliardenbetrag in die Branche stecken. Dies korrespondiert mit Zielen aus einem neuen Gesetzesvorhaben der EU, dem sogenannten "Net-Zero Industry Act". 40 Prozent des europäischen Bedarfs an Solarmodulen sollten demnach bereits im Jahr 2030 in Europa hergestellt werden. Besonders bei den Vorprodukten für die Module ist man von diesem Ziel momentan weit entfernt. Wie es genau erreicht werden soll, erscheint bislang unklar.
Union ist gegen Subventionen
Aus Sicht der Opposition im Bundestag sind alle diese Maßnahmen unnötig. Stefan Rouenhoff beschäftigt sich für die Unionsfraktion mit dem Thema. "Ich mache drei große Fragezeichen, dass die PV-Industrie strategisch relevant ist." Die aktuellen Silizium-Photovoltaik-Module seien Massenware, die woanders billiger hergestellt werden könnten. Daher unterstützten er und seine Fraktion aktuell auch keine staatlichen Subventionen für Solarbranche. Im Fall der Fälle könne man aus Indien oder den USA Solarmodule beziehen, meint der Abgeordnete.
Beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg bringt diese Haltung Andreas Bett ins Grübeln. Er plädiert dafür, sich nicht auf Indien und die USA zu verlassen. Schon seit Jahren wirbt er für eine europäische Photovoltaik-Industrie. Die könne konkurrenzfähig produzieren, wenn sie schnell hohe Stückzahlen abliefern würde. Am Ende kulminiere alles in einer Frage: "China wird uns langfristig im Solarbereich dominieren. Wir müssen entscheiden, ob wir das wollen."