"lieferbar": Lübecker Verlag für etwas andere Kinderbücher
Kinder- und Jugendbücher, die Geschichten mal anders erzählen: Oft hätten sie bei großen Verlagen keine Chance, sagen die Initiatoren des solidarischen Verlags "lieferbar" in Lübeck - einer Plattform für experimentelle Kinder- und Jugendliteratur.
"Unantastbar. Briefe an das Grundgesetz": 21 Texte von jungen Menschen, unterschiedlichste Perspektiven auf unsere Verfassung. Begeisterte Liebesbriefe, aber auch kritische und sorgenvolle Gedanken. Die Briefe sind bei einem Schreibwettbewerb des Lübecker Vereins "Bücherpiraten" im Kinder- und Jugendliteraturhaus entstanden – die Gewinnertexte wurden nun in einem Buch veröffentlicht.
"Auf dem Buchmarkt hätte es wahrscheinlich keine wirtschaftliche Chance", sagt Martin Gries, pädagogischer Leiter bei den Bücherpiraten. "Wir fanden es trotzdem wichtig, dass es lieferbar ist." Um solche besonderen Bücher veröffentlichen zu können, wurde der solidarische Kinder- und Jugendbuchverlag "lieferbar" gegründet.
Idee: Ein eigener Verlag für die "Bücherpiraten" im Kinderliteraturhaus
Im Kinderliteraturhaus in der Lübecker Altstadt wollen die "Bücherpiraten" Kinder fürs Lesen begeistern. In verschiedenen Gruppen werden gemeinsam Bücher besprochen, Kinder experimentieren mit eigenen Geschichten, Poesie und produzieren Podcasts. "Ein eigener "Bücherpiraten"-Verlag war eine langgehegte Idee", sagt "lieferbar"-Mitinitiatorin Freya Schwachenwald. "Dabei ging es von Anfang an auch um Fragen wie Diversität und experimentelleres Schreiben". Geschichten, die Kinder und Jugendliche ermutigen, unkonventionelle Arten, Geschichten zu erzählen - all das sei beim Verlag besonders erwünscht.
Wiederveröffentlichungen: Unterstützung für Autorinnen und Autoren
Auch bereits veröffentlichte, aber nicht mehr verfügbare Kinderbücher und Jugendromane sind im Verlag "lieferbar" erhältlich. "Kinder- und Jugendbuchautoren leben in der Regel nicht von Buchverkäufen, sondern von Lesungen, Workshops und Veranstaltungen", erklärt Martin Gries von den "Bücherpiraten". "Das geht aber nur mit Büchern, die lieferbar sind." Allerdings nehmen Verlage Bücher immer früher aus dem Sortiment, teilweise nach einem Jahr - gerade mal die Vorlaufzeit, um eine Veranstaltung zu planen, sagt der Pädagoge. "Wir hatten die Idee, dass wir den Büchern quasi ein zweites Leben geben."
Bei "lieferbar" wiedererschienen ist das Kinderbuch "Elfmeter für Nelli" von Claudia Kühn. Der Carlsen-Verlag hatte das Buch bereits ausgelistet. "Natürlich ist es für Autor*innen immer etwas schmerzhaft, wenn ihre Bücher nicht mehr lieferbar sind", sagt Claudia Kühn. Umso mehr freut sie sich, dass es jetzt wieder bestellt werden kann. "Ich habe das als Chance gesehen - nicht zuletzt auch, mein Fußballmädchenbuch noch einmal zu überarbeiten und damit wieder auf Reisen zu gehen."
Lektorat, Gestaltung, Korrektur: Vieles läuft ehrenamtlich
Produziert wird im "Crowdshopping"-Prinzip: Erst mit der 15. Bestellung wird gedruckt. Die Kosten sind dann bereits gedeckt, der Verlag muss nicht wie üblich die Produktionskosten vorstrecken. Das System funktioniert: "Die ersten Exemplare sind gedruckt und verschickt", freut sich Autor Nils Mohl. Auch sein Jugendroman "Ich wäre tendenziell für ein Happy End" ist, nachdem er ausgelistet wurde, im "lieferbar"-Verlag nun wieder zu haben.
Ein Netzwerk von rund 15 Menschen engagiert sich für den Verlag: Von der Gestaltung über das Lektorat bis zur Korrektur. Wie die Berliner Kunsthistorikerin Freya Schwachenwald, arbeiten die meisten ehrenamtlich. Viele von ihnen gingen früher im Kinderliteraturhaus ein und aus. "Die Zeit hat mich sehr geprägt. Auch wenn ich aus Lübeck weg bin, bin ich dem Verein noch verbunden", sagt sie. Diejenigen, die die Bücher schreiben und illustrieren, sollen mit den Veröffentlichungen hingegen Geld verdienen können.
Nächste geplante Veröffentlichung: Sammlung von Poetry Slam-Texten
Die nächste Veröffentlichung ist bereits in Planung: Eine Sammlung von Poetry Slam-Texten, die in den vergangenen Jahren im Kinderliteraturhaus entstanden sind. Höchstens ein- bis zweimal sind sie auf Bühnen vorgelesen worden, sagt Martin Gries von den "Bücherpiraten". "Auch diesen Texten schenken wir ein neues Leben."