Tillmann Prüfer: Vater-Leben mit vier Töchtern
Der Journalist und Autor Tillmann Prüfer stellt die (alte) Vaterrolle auf den Kopf und spricht über das Leben in einem Frauen-dominierten Haushalt, über Regeln, Erwartungen und Vorbilder.
So viel ist schon geschafft, aber immer noch nicht genug. Die Rollenverteilung in der Familie - sie verläuft in vielen Familien nach dem herkömmlichen Muster: Der Vater verdient das Geld, die Mutter kümmert sich um Kind und Haushalt. Das passiert, obwohl viele Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, dafür auch weniger arbeiten würden. Konjunktiv. Denn nur die wenigsten setzen dieses Modell in die Tat um. Die meisten Väter arbeiten Vollzeit, nur sieben Prozent entscheiden sich für eine Arbeit in Teilzeit. Warum hat sich an dieser Stelle bis heute so wenig bewegt? Der Journalist, Publizist und stellvertretende Chefredakteur des ZEITmagazins Tillmann Prüfer plädiert für ein Umdenken. Er selbst macht und lebt es mit seinen vier Töchtern vor. Darüber schreibt er in der Zeit-Kolumne "Prüfers Töchter" und in seinen Büchern, zuletzt "Vatersein. Warum wir mehr denn je neue Väter brauchen". Über Väter, Mütter, Kinder, das Leben in einem Frauen-dominierten Haushalt, über Regeln, Erwartungen und Vorbilder spricht Tillmann Prüfer in "NDR Kultur à la carte".
Als deine allererste Tochter geboren wurde, warst du 25 Jahre alt. Erinnerst du dich noch an diesen Moment, in dem du realisiert hast, jetzt bin ich Vater, jetzt ist wirklich alles anders?
Tillmann Prüfer: Der Moment, wo ich wusste, jetzt bin ich Vater, war der Moment der Geburt. Der war überraschend selbstverständlich und überraschend leicht, weil ich sah das Baby und dachte, wir machen das jetzt irgendwie zusammen. Das war für mich die Überraschung, dass das sofort alles da war, was man eigentlich zum Vatersein braucht. Alle Zweifel, die ich davor hatte, ob ich das kann und ob das ins Leben passt, waren sofort weggewischt. Es war auch klar, jetzt geht's los. Natürlich war der Moment, als ich mit 25 Jahren erfahren habe, ich werde Vater oder wir werden Eltern, das war eine Riesenüberraschung, und mir konnte auch niemand erklären, wie das Vatersein so sein wird. Das war eine Zeit, da war Vatersein etwas, was einen nicht so richtig anging. Es hieß, das wirst du schon irgendwie machen. Es gibt keine Freunde, die auch Vater werden.
Für junge Männer ist der einzige Mensch, von dem sie wissen, der hat schon was mit Kindern zu tun, häufig der eigene Vater. Von daher war ich auch ganz beruhigt. Es war für mich völlig offen, wie das werden wird. Ich glaube, das ist heute auch oft noch gar nicht so sehr anders. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Mutterwerden ein Riesending ist, das ändert alles, Vater werden, das ändert gar nichts. Wenn man als Arbeitnehmerin zum Arbeitgeber kommt und sagt, "Ich werde jetzt Mutter", dann ist das eine Frage von: "Wie stellen Sie sich das denn vor?" Wenn ich irgendwohin kam und gesagt habe, ich werde nochmal Vater, dann hieß es nur "Herzlichen Glückwunsch". Man nahm eher an, der ist jetzt ein noch besserer Arbeitnehmer und hat sich überhaupt nicht vorgestellt, dass das für das Leben was bedeuten wird - macht es aber!
Ich habe immer das Gefühl, in der Gesellschaft ist man sich sehr einig, was eine gute Mutter ist. Sie ist immer für ihre Kinder da, hat im Optimalfall nebenbei noch eine schicke Karriere, passt auch gut auf sich und ihren Körper auf, also sie hat immer alles im Griff. Das sind natürlich vollkommen überhöhte Erwartungen an Mütter. Aber wie ist das heute bei den Vätern? Was ist denn ein guter Vater? Welche Erwartungen haben wir an den heute?
Prüfer: Ein guter Vater, der soll alles sein. Der soll einerseits für die Kinder da sein, wahnsinnig aufmerksam, auch emotional zugänglich sein. Er soll wie so eine Art zweite Mutter sein. Er soll aber auch alles andere sein. Er soll herausfordernd und alles das sein, was irgendwie den attraktiven Mann ausmacht. Das heißt, dass er auch noch einen tollen Job hat und, dass er sorgend ist und für die Familie aufkommt und er soll gleichzeitig mit den Kindern über die Wiesen toben.
Wenn wir in der Werbung sehen, wie die Väter dort aussehen, die haben alle einen Sechs-Tage-Bart, sind unheimlich locker und laufen mit den Kindern barfuß durch die Natur. Das sind natürlich alles miteinander konkurrierende Väter-Bilder. Weil ich kann nicht im Job voll da sein und gleichzeitig mit ganzem Herzen für die Familie da sein. Moderne Väter stehen davor heute ein bisschen mit einem Fragezeichen, weil sie sollen gleichzeitig alles vereinnahmen. Wenn sie das versuchen, dann werden sie einfach nur gestresste Väter. Und das sollten Sie ja nicht sein.
Würdest du sagen, dass Väter ähnliche Probleme wie Mütter in der Gesellschaft haben? Es sind eigentlich Aufgaben, die zeitgleich gar nicht alle zu bewältigen sind.
Prüfer: Ich würde nicht sagen, dass sie die gleichen Probleme haben wie Mütter, das tatsächlich nicht. Ich will sagen, Mütter haben es in vieler Hinsicht viel schwerer. Denn es ist irre schwierig, als Frau, die eigenen Vorstellungen von Karriere und was möchte ich werden zu vereinbaren. Wie will ich mich weiterentwickeln, was ist für mich da? Die ganzen Ansprüche, die aus der gesellschaftlichen Sicht kommen? Was macht eine gute Mutter aus? Die ist nämlich die ganze Zeit auch für ihr Kind da. Und ich glaube, die Mutter heute, hat das Gefühl, sie ist zu wenig da. Alle verlangen alles von ihr. Das gilt für Väter, glaube ich, heute noch nicht. Denn ein Vater, der kann alles sein.
Während die Frau immer in ihrer Mutterrolle gesehen wird, so wie Annalena Baerbock; mein Gott, die ist Außenministerin und Mutter, wie kann das denn sein, die armen Kinder? Ich meine, das Habeck auch Vater ist und vier Söhne hat und einer gerade erst von Zuhause ausgezogen ist, das interessiert niemanden. Natürlich kann der irgendwie auch Wirtschaftsminister sein, das taucht gar nicht auf. Ich glaube, das ist für Männer eher ein Nachteil, weil sie auch von der Gesellschaft gar nicht dazu gebracht werden, über ihre Vaterrolle mal zu reflektieren. Selbst das Vatersein als einen großen Teil ihrer Identität wahrzunehmen und auch dafür zu kämpfen, dass sie Väter sein können, wie sie es wollen. Der Mann, von dem wir heute sprechen, der ist in den meisten Fällen heute immer noch vor allen Dingen Arbeitnehmer, Alleinernährer und Vater im Nebenjob. Keiner empfindet sich so, aber wenn wir die Zahlen anschauen, dann ist es die Lebensrealität.
Das Gespräch führte Anna Novàk.