Schreiber&Leser: Abenteuer, Crime und Krimi mitten aus Hamburg
Ein kleiner Familien-Verlag aus dem Herzen Altonas versorgt Liebhaber grafischer Erzählungen mit Erwachsenen-Comics. Im Programm finden sich neben Abenteuer- auch erotische Geschichten.
"Es war immer ein Herzensprojekt meiner Mutter", sagt Philipp Schreiber, der heutige Leiter des Schreiber&Leser Verlages. Rossi Schreiber kam Ende der 60er-Jahre bei einem USA-Aufenthalt mit den Underground Comics von Robert Crumb in Berührung und war fasziniert. Zunächst arbeitete sie in München als Lektorin und Übersetzerin beim Econ Verlag. 1981 dann die Entscheidung einen eigenen Verlag zu gründen - zusammen mit ihrem damaligen Mann im eigenen Heim. Ein großes Wagnis, denn Comics galten damals noch überwiegend als Kinder- und Schmuddelkram. Das sollte sich ändern.
Seit über 40 Jahren Comic-Verlag für Erwachsene
Der heutige Verlagsleiter und Sohnemann Philipp Schreiber kam früh mit dem Verlagsgeschäft in Berührung. "Wenn wir einen Gemüseladen gehabt hätten, hätte ich Brokkoli verkauft", erinnert sich der Junior. So kam es, dass Philipp Schreiber sein erstes Buch mit zehn Jahren auf dem Comic Salon in Erlangen, dem Comic-Branchen-Treff Nummer eins in Deutschland, unter die Leute brachte. Richtig cool fand er es aber trotzdem nicht: "Manchmal, wenn Freunde nach Hause kamen, habe ich die erotischen Comics aus dem Verlag versteckt. Das war mir damals eher peinlich."
Vor rund 20 Jahren stieg er dann immer mehr in das Familien-Unternehmen ein. Nach einer Ausbildung zum Produktdesigner und ein paar Wanderjahren ins Ausland übernimmt er Stück für Stück mehr Verantwortung. "Ich kannte eigentlich alles schon ganz gut, ich war dann doch sehr überrascht, wie viel ich als Kind mitgenommen hatte", erinnert sich der Junior. Bis heute hegt er "eine große Wertschätzung für das Genre und das Medium", wie er sagt - ohne allerdings ein Comic-Nerd zu sein. Seit zwölf Jahren leitet er den Verlag von seinem Wohnort in Hamburg.
Alles außer Elfen, Druiden und Ritter
Keine große Comic-Sammlung ist in den Wohn- oder Büroräumen zu finden. So hat er eine, wie er sagt "gesunde Mischung" zwischen Leidenschaft und verlegerischer Tätigkeit entwickelt: "Ich sehe mich schon als jemanden, der dem lesenden Publikum was bieten möchten, aber wenn es nicht da ist, dann muss ich jetzt nicht alleine für mich ein Ding verlegen, nur weil es mir gefällt." Insgesamt sind sie zu zweieinhalb im Verlag, wie er sagt. Er selbst, seine Mutter und eine halbe Assistenzstelle. Da wird dann auch demokratisch entschieden, wenn es zur Auswahl von Titeln geht. Ausschließlich Lizenzen sind im Programm zu finden. Also Bücher, die woanders erschienen sind, aber nun mit Lizenz im deutschsprachigen Raum.
Für manche Leser ist das Angebot "wie ein Bauchladen", erzählt Schreiber. Andere Leser hingegen finden, dass immer etwas dabei ist. Wie auch immer. Der Verlag hat sich seit Beginn auf frankobelgische und amerikanische Graphic Novels spezialisiert. Deutsche Autoren findet man vergeblich im Programm. Jeder Titel muss für das Team ein Highlight sein, sonst kommt ein Buch nicht in Frage. "Feine Comics für Erwachsene" ist der Verlagsslogan. Dementsprechend bieten die Macher kaum etwas für Kinder an - eingeschlossen einiger Manga-Titel. "Fantasy-Geschichten oder Geschichten über Elfen, Druiden, Schwerter und Ritter blenden wir aus", erzählt Schreiber. "Dagegen gerne Abenteuer, Crime und Krimis."
Klassiker und Erotik im Programm
Einer der erfolgreichsten Titel des Verlags ist ursprünglich 1969 erschienen. "Südseeballade" von Hugo Pratt aus der Corto-Maltese-Reihe. Aber auch junge Titel hat der Verlag im Portfolio. "Letztes Wochenende im Januar", über das Comic-Festival in Angoulême, ist vom 39-jährigen Bastian Vivès. Über den jungen Franzosen schreibt die Neue Züricher Zeitung: "Das große Talent des französischen Comics, der erste Star einer neuen Generation nach Joann Sfar, Christophe Blain und Lewis Trondheim."
Ziemlich erwachsen sind Bücher wie "Die Reise nach Tulum", "Untreueschwüre" oder "Ein philosophisch pornographischer Sommer". Seit Beginn des Verlags gibt es auch erotische Titel. Das war Gründerin und Mutter Rossi Schreiber enorm wichtig, hält sie es doch bis heute für einen Ausdruck von Feminismus, wie ihr Sohn heute erzählt. Auch japanische Manga-Perlen wie der "Gipfel der Götter" von Jirō Taniguchi findet man im Programm. Darin geht es um eine historische Mount Everest Besteigung, die so mitreißend ist, dass selbst Netflix die Geschichte als Anime-Spielfilm vor zwei Jahren auf die Bildschirme brachte.
Herzensprojekte und Magazine
"Wenn ich was toll finde, hoffe ich, dass es bei uns erschienen ist", sagt Verlagsleiter Philipp Schreiber selbstbewusst. "Natürlich gibt es bei anderen Verlagen auch ganz tolle Bücher", fügt er lächelnd an. Ein Herzensprojekt gab es für ihn einmal: "Der Junker von Ballantrae" von Schatzinsel-Autor Robert Louis Stevenson. Leider entschied sich das Team nach einiger Diskussion dagegen. Zehn Jahre ruhte das Projekt. Doch mit dem Verlagspreis 2021 war genügend Geld da. Das Buch wurde auf Deutsch umgesetzt - in Aquarell gezeichnet von Frank Meynet alias Hippolyte.
Rund 30 Titel veröffentlicht der Verlag im Jahr plus ein 16-seitiges Magazin, das alle drei Monate erscheint. Darin gibt es Hintergründe zu den kommenden Titeln. Das Magazin wird von Mutter Rossi Schreiber produziert. Nach wie vor ist sie nicht nur als Übersetzerin im kleinen Familienverlag unterwegs. Ihr Engagement und die Pionierarbeit, die sie Anfang der 80er Jahre geleistet hat, haben ihr 2012 den deutschen Comic-Oscar, den Max-und-Moritz-Preis, eingebracht.
Neuerungen auf dem Markt beobachten
Die Entwicklung von KI in der Branche sieht Verlagsleiter Philipp Schreiber gelassen: "Dadurch, dass wir nach fertigen Büchern Ausschau halten, die wir lizenzieren können, überlasse ich eigentlich die Zukunftsvision den anderen. Wenn das ein anderer Verlag macht, schaue ich mir das an und wenn ich das gut finde, würde ich fragen, ob wir das lizenzieren können." Bis das aber passiert, wird wohl noch Zeit vergehen.
Was die Zukunft angeht, möchte der Wahl-Hamburger an der Ausrichtung des Verlags nichts ändern. "Wir haben ein gutes und offensichtlich auch ein sich erneuerndes Publikum, was jetzt seit knapp 30 Jahren der Fall ist." Trotzdem möchte der Verlagsmacher an Neuerungen auf dem Markt nicht vorbeigehen. So ist die Möglichkeit, Titel über ein Crowdfunding zu finanzieren, eine Option, über die das Team nachdenkt. Allerdings digitale Bücher wird es bei Schreiber&Leser nicht geben. Die Fans und Liebhaber wollen dann doch Bücher im Regal stehen haben. So werden auch künftig graphische Erzählungen auf Papier aus dem Herzen Altonas zu haben sein.