Ecce homo / B.Hummel Bibelillustration, Deutschland, 19. Jahrhundert: "Christus vor Pilatus" © picture-alliance / akg-images

Pontius Pilatus: Wer war der Mann, der Jesus zum Tode verurteilte?

Stand: 18.04.2025 16:50 Uhr

Im Evangelium ist der römische Statthalter Pontius Pilatus nur eine Randfigur, aber Millionen Christen sprechen seinen Namen noch heute im Glaubensbekenntnis aus. Wer war der Mann, der Jesus zum Tode verurteilte?

von Christian Feldmann

Hochdramatisch, diese biblische Passionsgeschichte. In den Augen des kühlen Beobachters Pontius Pilatus aber mag hingegen wenig passiert sein. Die historischen Quellen schildern Pilatus als Machtmenschen, ängstlich, devot gegenüber seinem Kaiser und ohne jede Sensibilität für die jüdische Kultur. Wer war dieser Jesus schon, fragte sich Pilatus vielleicht, ein Wanderrabbi wie viele andere, der Geschichten von einem barmherzigen Gott erzählte.

Dieser Jesus hatte sich zwar mit den religiösen Führern in Jerusalem zerstritten und kritisierte sie unerbittlich, aber das taten andere auch. Seine Anhängerschaft schien friedlich, unpolitisch. Ein gekreuzigter Querkopf mehr, wem fiel das schon auf? Pilatus tat mit seinem Todesurteil der jüdischen Führungsschicht einen Gefallen - und er würde den unbedeutenden Volksprediger Jesus sehr schnell wieder vergessen. 

Jesus am Kreuz © Screenshot
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Pontius Pilatus: Der jüdischen Religion nicht feindlich gesinnt

Die Römer hatten keine Probleme mit fremden Religionen, man nahm sie großzügig unter das Dach des Imperiums auf und ließ ihnen alle Freiheiten. Eine heikle Sache waren freilich der leidenschaftliche Eingottglaube der Juden und die politische Seite ihrer Messias-Träume. Einer von vielen, das war der gekreuzigte Wanderprediger Jeschua, Jesus, aus Nazareth. Einer von vielen, das war eigentlich auch Pontius Pilatus. Wenn wir dennoch erstaunlich gut über ihn unterrichtet sind, dann liegt das nicht nur an den Evangelien, sondern auch am Interesse, das die antiken Historiker an den Konflikten zwischen römischer Weltmacht und jüdischen Vasallen zeigen.

Der Prozess gegen Jesus spielt dabei so gut wie keine Rolle; der Römer Tacitus streift ihn Anfang des zweiten Jahrhunderts, als er sich an die Christenverfolgung unter Nero erinnert:

"Der Gründer jener Sekte, Christus, war unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden."

Pilatus verwaltete die die Provinz Judäa mit harter Hand

Aber über das Charakterbild des Pilatus erfahren wir eine Menge, und das spielt natürlich eine Rolle für die Bewertung der biblischen Passionsgeschichte. Zwei jüdische Chronisten liefern die Hauptquellen über Pilatus, und bei ihnen kommt er ausgesprochen schlecht weg. Der eine Chronist ist Philo von Alexandrien, bekannt durch seine sinnbildliche, etwas freizügige Interpretation der hebräischen Bibel, die er mit der griechischen Philosophie versöhnen will. Der andere heißt Flavius Josephus, eine schillernde Figur, erst Pharisäer und Widerstandskämpfer gegen Rom und dann eine Art Haushistoriker des Kaisers Vespasian. Beide schildern Pilatus als typischen Besatzer, der nur ein Ziel kennt: die Herrschaft Roms auf Biegen und Brechen durchzusetzen, und auf die Interessen und Mentalitäten der jüdischen Bevölkerung nur so weit Rücksicht nimmt, als es diesem Ziel dient.

Genau deshalb bekommt das böse Bild vom brutalen Tyrannen, das die beiden zeichnen wollen, aber auch Risse. Denn auf Provokationen, Drohkulissen und abschreckende Urteile lässt der offensichtlich ziemlich kluge und geschickte Statthalter Roms nicht selten Gesten deutlicher Deeskalation folgen.

Um Moral ging es ihm sicher nicht, er hatte auch nichts dagegen, Blut zu vergießen, wenn es Sinn machte. Aber warum sollte er es sich mit der jüdischen Priesterschaft verderben, die ihm dabei half, das Volk vor aufrührerischen Gedanken zu bewahren? Am allermeisten fürchtete er Unannehmlichkeiten in Rom. Ein gutes Jahrzehnt hat er die Provinz Judäa verwaltet - was dafür spricht, dass er sich geschickt verhalten hat und beim Kaiser nicht allzu sehr angeeckt ist.  

Verurteilung Jesus vermutlich kein ordentlichen Prozess

Die Passionsberichte der einzelnen Evangelisten enthalten Widersprüche und offensichtliche spätere Uminterpretationen. Vor allem zeigen sie, wie skandalös das ganze Verfahren war: Für einen ordentlichen Prozess nach römischem Recht fehlten die Klageschrift, der Verteidiger, die Eintragung in die Akten, die Urteilsverkündung. Allenfalls als Polizeimaßnahme nach Kriegsrecht könnte sich der Berliner Historiker Alexander Demandt so ein Schnellverfahren vorstellen. 

Immerhin sei die verhängte Todesstrafe sowohl nach römischem Recht - für Volksverhetzung und die Erregung eines Tumults - als auch nach jüdischem Sakralrecht - wegen Gotteslästerung - rein formaljuristisch korrekt gewesen.

Die Tendenz der Evangelisten freilich, den römischen Richter als mitfühlend, gerecht empfindend, um Fairness bemüht darzustellen, allenfalls als wankelmütig und schwach aus bedauerlichen charakterlichen Gründen und aus nachvollziehbaren politischen Rücksichten - diese Tendenz stößt bei Historikern, Rechtsexperten und Bibeltheologen schon lange auf Skepsis. Alexander Demandt hält vor allem die wiederholten und verzweifelten Versuche des Pilatus, Jesus vor der Hinrichtung zu retten und stattdessen zur vergleichsweise milden Folter der Geißelung zu verurteilen, für ein von den biblischen Autoren schlecht inszeniertes Todesdrama.

Pontius Pilatus: Stolzer Römer mit Heidenangst

Warum beteuert dieser mit allen Vollmachten ausgestattete Richter wieder und wieder die Unschuld des Angeklagten, als sei er ein Starverteidiger, und schickt ihn unmittelbar danach achselzuckend doch in den Tod?

Natürlich hatte er eine Heidenangst, der stolze Römer. Die Wortführer der Menge, die Jesu Tod forderte, setzen Pilatus offenbar damit unter Druck, Jesus sei ein Aufrührer und damit ein Feind des römischen Kaisers. Aber zumindest nach dem Johannes-Evangelium hatte der Angeklagte Pilatus gegenüber doch eindeutig erklärt, sein Königreich sei nicht von dieser Welt, also war er keine politische Größe.

Pilatus muss das genau verstanden haben, sonst hätte er nicht mehrfach erklärt, er halte Jesus für unschuldig. Direkt nach dem Urteilsspruch wusch er sich demonstrativ die Hände zum Zeichen dafür, dass er die Verantwortung für dieses Schandurteil ablehne.

Weltgeschichte wäre ohne Pilatus anders verlaufen

Jesus von Nazareth ist vermutlich im Jahr 30 unserer Zeitrechnung am Kreuz gestorben. Pilatus amtierte danach noch sechs Jahre als Präfekt von Judäa und verschwand dann, als in Rom ein neuer Kaiser installiert war, spurlos aus der Geschichte. Was wäre geschehen, wenn Pontius Pilatus den gewaltlosen Rebellen Jesus von Nazareth freigesprochen hätte? 

Was hätte es für die Geschichte der Welt und des Christentums bedeutet, hätte er ihn nicht in den Tod geschickt, sondern in den Steinbruch oder zum Kaiser nach Rom? Das wäre möglich gewesen; römische Juristen empfahlen Propheten, die "von Gott erfüllt" auftraten, auszupeitschen und möglichst rasch auszuweisen, damit sie die leichtgläubigen Massen nicht in Unruhe versetzten. Was wäre geschehen?

Keiner weiß es. Die Weltgeschichte wäre jedenfalls anders verlaufen, hätte sich der mittelmäßige römische Beamte Pontius Pilatus damals weniger feige verhalten.

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NDR Kultur | Glaubenssachen | 10.04.2022 | 08:40 Uhr

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