Philipp Keels "Last Summer": Beiläufig wehmütig
In seinem Bildband "Last Summer" fängt Philipp Keel die Beiläufigkeiten des Sommers ein und schafft damit eine melancholische Atmosphäre.
Herbstwetter, Abschiedsstimmung. Es wird kälter und nasser draußen, auch wieder sehr früh dunkel. Der letzte Sommer ist nur noch eine entfernte Erinnerung an sonnige Tage, kühle Getränke, freies Herumstreifen auf den Straßen oder auch an lange Stunden im viel zu warmen Büro. Philipp Keel - Leiter des Diogenes-Verlags, aber auch Künstler, Schriftsteller, Fotograf - hat diese Erinnerungen an den letzten Sommer auf Fotografien festzuhalten versucht. Sein Bildband "Last Summer" evoziert Gefühle, aufflackernde Gedankenblitze und schwer fassbare Schwingungen.
"Man muss sich ein Stückchen Sommer bewahren, sogar mitten im Winter", sagte Henry David Thoreau. Silbern perlen die Kohlensäurebläschen im Cocktailglas. Wie ein gigantisches Saugrohr sticht der schwarze Strohhalm schräg in den Drink, auf dem eine quietschorange Kirsche herum schwimmt - einem aufblasbaren Spielzeug im Swimmingpool ähnlich. Übergroß die Details, gezoomt der Blick - unheimlich nah ist die Kameralinse an die Objekte herangegangen.
Philipp Keel fängt Beiläufigkeiten ein
In der Luft eine Meeresbrise, flirrende Hitze, überall Gleißen, die Palmwedel in grellem Gelb-Grün verwischt, nur schemenhaft wahrnehmbar. Dahinter - was? Wolken, Himmel, Sonnenlicht. Stickige Wärme im Raum. Holzvertäfelung, vertikale Linien auf Dunkelbraun, im Kontrast zur Horizontalen dieser schwarzglänzenden Schreibtischplatte, auf der ein Bürotelefon so hartnäckig wie zwecklos vor sich hinklingelt. Die Telefonschnur gekringelt in einer schiefen Acht oder einer Möbiusschleife? Zeichen der Unendlichkeit und Vergeblichkeit.
"Eine der großen Stärken dieser Arbeiten ist, dass die Bilder subtil und zurückhaltend bleiben. Wir finden jeweils in ihnen, was wir finden wollen. Was übrig bleibt, ist ein Gefühl von Vergänglichkeit, vielleicht sogar ein Hauch von Einsamkeit", schreibt der junge Autor Benedict Wells in einem knappen Vorwort, das in seinen Beobachtungen die Atmosphäre des stimmungsdurchtränkten Bildbands fein aufnimmt.
"Last Summer": Kein Sommergefühl, sondern Wehmut
Stillleben, Ahnungen von Erlebnissen, kurze Blicke auf Dinge, die sonst in ihrer Beiläufigkeit kaum wahrgenommen werden, die Philipp Keel aber auf seinen Bildern bannt. Eine Stromleitung vor einem Baum - beides nur ein Schattenriss. Zwei Gartenliegestühle auf einer nächtlichen Veranda, erneut: gebogen wie die Ziffer acht. Unscharf: eine Ray-Ban-Sonnenbrille, kaum zu erkennen, so dicht ist der Fotograf an ihr dran. Und immer wieder Wellen, Verschwimmendes, Lichter und Farben auf bewegtem Wasser.
Mal bedrückt die funktionale Ästhetik rechter Winkel der beiden Kipp-Lichtschalter an der Wand eines Hotelzimmers, dann schweben wieder freie, verfließende Formen wie die der nächtlichen Wolke, der weiß aufschäumenden Welle unter einem gerade nicht sichtbaren Vollmond. Keels fotografische Impressionen schaffen kein Sommergefühl, sondern eine weiche Wehmut. Eine Ahnung, wie fremd die Dinge, das Leben, die Welt einem doch sind - und auch wie nah dran.
Philipp Keel: Last Summer
- Seitenzahl:
- 72 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Fester Einband/ Leineneinband, 24 x 30 cm mit 62 Abbildungen
- Verlag:
- Steidl Verlag
- Bestellnummer:
- 978-3-95829-694-7
- Preis:
- 40,00 €