Michel Houellebecq veröffentlicht neues Buch: Von Porno bis Islam
In Frankreich erscheint heute Michel Houellebecqs neues Buch "Quelques mois dans ma vie" ("Einige Monate in meinem Leben"). Darin erzählt der Schriftsteller aus seinem Leben von Oktober 2022 bis März 2023.
Sechs Monate auf gut 100 Seiten: Houellebecq erzählt Houellebecq. "Wozu ich mich vor allem bekenne, ist meine große Dummheit. Man hätte dem Buch als Untertitel hinzufügen können: 'Wie kann man nur so blöd sein?'" So hat es der Schriftsteller in einem Interview mit der Zeitung "Le Figaro" formuliert. Eine Gesprächsanfrage der ARD hat sein Verlag Flammarion abgelehnt.
Houellebecq: Betrunken und depressiv bei Kirac-Porno
Seine Dummheit bezieht Houellebecq dabei auf den Porno des niederländischen Künstlerkollektivs Kirac, bei dem er mitgemacht hat. Der Trailer zum Film steht im Netz. Darin ist der Schriftsteller mit nacktem Oberkörper im Bett zu sehen. Houellebecq sagt, er sei bei der Vertragsunterzeichnung depressiv und betrunken gewesen. Über eine mögliche Veröffentlichung des Films wird vor Gericht gestritten.
Die Episode ist auch Thema im Gespräch mit "Le Figaro": "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine sexuellen Aktivitäten angesichts meiner Berühmtheit einen Marktwert haben könnten. Ich vergesse bisweilen, dass ich berühmt bin. Ich habe zum Teil heftige intellektuelle Kontroversen ausgefochten und es wird weitere geben. Aber bisher war mein Privatleben davor bewahrt."
"Einige Monate in meinem Leben" sind eine große Nebelkerze
Der Journalist Denis Demonpion hat sich intensiv mit Houellebecq beschäftigt und eine Biografie über ihn geschrieben. Demonpion sieht das Buch vor allem als große Nebelkerze: "Er handelt die Frage nach seinem Verhältnis zu den Muslimen ab und widmet dann 100 Seiten sich selbst und der Sache mit diesem Porno. Er weiß, dass das Publikum sich viel stärker dafür interessiert. Das Verhältnis zwischen Frankreich und dem Islam und Houellebecq und dem Islam ist eine heikle Sache. All das ist Strategie. Houellebecq ist ein sehr intelligenter Mann, der nichts dem Zufall überlässt."
Houellebecqs Verhältnis zu den Muslimen und seine Aussagen über den Islam: Auch das meint der Schriftsteller, wenn er von seiner Dummheit spricht. Vergangenen Dezember hatte er bekannt provokant in einem Interview behauptet, dass die Franzosen erwarten, von Muslimen nicht mehr beklaut und angegriffen zu werden. Aussagen, die Houellebecq jetzt wieder einfangen will, wie er im "Figaro" erklärt: "Das war meine Schuld. Ich hätte meine Äußerungen in diesem Interview noch einmal aufmerksamer durchlesen müssen, denn ich bin seit Langem überzeugt, dass das Problem nicht der Islam ist, sondern die Kriminalität ist."
Houellebecq und der Islam
Diese Sichtweise erklärt Houellebecq in einem kurzen Abschnitt seines Buches näher. Die überarbeitete Version seiner Aussagen vom letzten Dezember ist entstanden, nachdem Houellebecq und der Rektor der Großen Moschee von Paris Tacheles geredet hatten. Die Moschee verzichtete auf eine Klage.
Für den Journalisten Denis Demonpion ist dieses Treffen die zentrale Motivation für das neue Buch: "Der Rektor der Moschee und Houellebecq haben sich auf einen Text geeinigt, der anders formuliert ist und letztlich auch etwas abgemildert. Das Buch, das nun erscheint, ist das Resultat dieser Verhandlungen zwischen den Vertretern der Großen Moschee von Paris und Michel Houellebecq. Das ist der einzige Grund, aus dem dieses Buch existiert."
Houellebecqs Aussagen waren und sind heikel, weil sie zentrale gesellschaftliche Fragen betreffen - nach dem Umgang mit den französischen Muslimen auf der einen und dem politischen Islam auf der anderen Seite. Oder die Frage, bis wohin Meinungsfreiheit geht. Mit seinem neuen Buch versucht Houellebecq Schärfe aus dieser Debatte zu nehmen. Fraglich, ob 20 von insgesamt rund 100 Seiten dafür reichen.