Buchcover: Kunst für keinen 1933 - 1945 © Hirmer Verlag

Katalog zur Ausstellung: "Kunst für Keinen 1933 - 1945"

Stand: 15.05.2022 06:00 Uhr

"Kunst für Keinen" ist der Titel einer Ausstellung, die noch bis zum 6. Juni in der Frankfurter Kunsthalle Schirn zu sehen ist. Zur erhellenden Schau gibt es den nicht minder spannenden Katalog.

von Martina Kothe

Mit dieser Kunst sind jene Werke gemeint, die zwischen 1933 und 1945 geschaffen wurden und die keinen interessieren durften, da ihre Erschaffer nicht ins Weltbild der Nazis passten. Der Katalog ist sehenswert für alle, die es nicht in die Ausstellung selbst schaffen oder die gern Künstler abseits der bekannten Namen entdecken wollen.

Werke über Angst, Misstrauen und Verzweiflung

Sie sind Maler, Bildhauerinnen, Fotografen und Zeichnerinnen. Sie wollen Deutschland nicht verlassen - aus höchst individuellen Gründen. Es sind 14 Lebens- und Werkgeschichten.

Kuratorin und Herausgeberin Ilka Voermann spricht bei der Präsentation der Ausstellung über Ambivalenzen und Grautöne. Viele Künstler in jener Zeit wollen oder können nicht aufhören zu arbeiten, und sie werden von der "Reichskulturkammer" nicht oder zeitweise nicht anerkannt: "Ganz wichtig waren die Fragen: Sind Sie arisch? Ist Ihr Ehepartner arisch? Waren Sie politisch aktiv vor 1933? Das waren die wichtigsten Kriterien, die dazu geführt haben, dass Künstlerinnen und Künstler aus der Kulturkammer ausgeschlossen wurden. Tatsächlich war es so, dass die Kunst selbst, dass der künstlerische Ausdruck eine unterordnete Rolle spielte."

Die Zeichnerin Lea Grundig, spätere Professorin für Grafik an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden, ist auf zweierlei Weise der Verfolgung ausgesetzt: Sie ist Jüdin und Kommunistin. Nach Ihrer zweiten Verhaftung 1938 gelingt ihr die Flucht nach Palästina. In ihren einprägsamen Kupferstichserien "Unterm Hakenkreuz" und "Krieg droht" zeigt sie die Angst, das Misstrauen und die Verzweiflung.

Widerständige und angepasste Künstler

In dem Band werden aber nicht nur die widerständigen Künstlerinnen und Künstler vorgestellt, sondern auch jene, die sich anpassen, um wenigstens noch ein bisschen ausstellen zu können. Wie etwa Otto Dix. Er, der die Schrecken des ersten Weltkriegs überdeutlich gemalt hatte, zieht sich an den Bodensee zurück und malt Landschaften. Seinen Lehrstuhl in Dresden hat er da schon verloren.

Ein anderer Maler, Karl Hofer, wendet sich zwar offen in Zeitungsartikeln gegen den Nationalsozialismus, lässt sich aber 1938 von seiner jüdischen Ehefrau scheiden. Sie wird vier Jahre später in Auschwitz ermordet.

Berührende Käfiggesichter

Feine, immer doppelte Linien formen einen Kopf. Sie gleichen Drähten oder Fäden, biegen und winden sich und sind doch starr wie bizarre Vogelkäfige. Aus dem Hinterkopf bahnen sich die schwarzen Garne ihren Weg bis zur Stirn und werden zur Nase, ringeln sich um die Augen und gehen sachte in Hals und Brust über. Ein Harnisch, ein Gerüst für das, was noch kommen mag.

Hans Uhlmann, bekennender Kommunist und Begründer der Metallplastik in Deutschland, zeichnet diese merkwürdig berührenden Käfiggesichter 1934/35 im Gefängnis. "Köpfe, Zöpfe, Bärte, Locken und Büsten aus Draht", nennt er die Sammlung - oder auch "Tegeler Köpfe". Kaum aus der Haft entlassen, setzt er die Entwürfe um. Zwischen 1935 und 1942 erschafft er mehr als 40 Köpfe aus Eisenstäben, Eisen- oder Zinkblechen.

Kunst und Leben in extremen Zeiten

Nach der Inhaftierung lebt Hans Uhlmann in einer "geistigen Opposition". Diesen Begriff, wie auch das Schlagwort "verfemt" oder die Rede von der "inneren Emigration", findet Ilka Voermann schwierig: "Mit den Begriffen wird oft eine widerständige Haltung verknüpft und ein künstlerischer Widerstand. Eine Haltung, die wir in den wenigsten Fällen tatsächlich nachweisen können, denn das ist etwas, was viele Künstlerinnen und Künstler vereint, die hier in Deutschland geblieben sind. Sie lassen sich nicht so einfach festnageln, beziehungsweise wenn sie eine Haltung gehabt haben, ist es sehr schwer, sie aus den Werken allein herauszulesen."

Nichts ist nur schwarz oder nur weiß - selbstverständlich auch in der Kunst nicht. Dass Künstler, die es unter den Nationalsozialisten schwer haben, tatsächlich gegen das Regime sind, kann man nicht voraussetzen, wie wir spätestens durch Emil Nolde wissen.

Das Buch verändert etwas im Leser, in der Betrachterin. Es schafft Nähe zu den Porträtierten, durch ihre Kunst und ihr Leben in extremen Zeiten.

Kunst für keinen 1933 - 1945

von Ilka Voermann (Hg.)
Seitenzahl:
296 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
220 Abbildungen in Farbe
Verlag:
Hirmer
Bestellnummer:
978-3-7774-3849-8
Preis:
49,90 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 15.05.2022 | 16:20 Uhr

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