Jan Skudlarek: "Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht" © Tropen Verlag / Klett-Cotta
Jan Skudlarek: "Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht" © Tropen Verlag / Klett-Cotta
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AUDIO: Skudlarek: "Wenn jeder an sich denkt, ist NICHT an alle gedacht" (3 Min)

Jan Skudlarek: Die Gefahren des narzisstisch-liberalen Fleischwolfs

Stand: 20.08.2023 08:04 Uhr

"Wenn jeder an sich denkt, ist NICHT an alle gedacht" schreibt Autor Jan Skudlarek über die tumbe Ich-Mentalität und plädiert in seiner Streitschrift fürs Umdenken - zum Schutz der Gemeinschaft.

von Nicole Ahles

Jan Skudlarek provoziert gerne, um seinen Punkt deutlich zu machen. Sein neues Buch "Wenn jeder an sich denkt, ist NICHT an alle gedacht" nennt er denn auch eine "Streitschrift für ein neues Wir".

Illegitimer Egoismus statt legitime Freiheitsliebe

Es geht ihm um den Freiheitsbegriff - und um seiner Meinung nach falsch verstandenen Liberalismus. Er fragt:

Wieso wird aus theoretischer, legitimer Freiheitsliebe so schnell praktischer, illegitimer Egoismus? Wie kann es sein, dass ein edler Liberalismus zur tumben Ich-Mentalität verkommt? "Freiheit ist das, was mein Ego maximiert" - so klingt der Freiheitsbegriff, nachdem man ihn durch den narzisstisch-liberalen Fleischwolf gedreht hat. Das ist die hässliche Seite des Liberalismus, die sich in Krisenzeiten immer wieder zeigt. Zitat, S. 33

Maskenverweigerer, Impfgegner und Hamstermentalität

Skudlarek blickt auf die Corona-Pandemie - auf Maskenverweigerer, Impfgegner und die Hamstermentalität, aber auch auf die Duschdiskussion zu Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine, als klar wurde, dass das Gas knapp werden könnte.

Auf die Bitte des Energieministers Robert Habeck an die Bürgerinnen und Bürger, in Zeiten knapper Ressourcen nicht Ewigkeiten unbesorgt zu duschen, entgegnete FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, (damaliger Bundestagsvizepräsident): "Robert Habeck darf gerne so kurz duschen, wie er es für richtig hält. Ich schaue jedenfalls nicht auf die Uhr, wenn ich in der Dusche bin." Zitat

Das Spannungsverhältnis zwischen den Bedürfnissen des Individuums und denen der Gesellschaft wird regelmäßig zur Zerreißprobe.

1974: Rauchverbot in Bussen - "unverschämt"

Dies ist aber auch kein neues Phänomen, stellt Philosoph Skudlarek beim Blick in die Vergangenheit fest - zum Beispiel als im April 1974 die Berliner Verkehrsbetriebe das Rauchen in Bussen verboten und der RBB folgende Meinungen einholte.

Eine Frau sagte demnach: "Das finde ich empörend. Das ist ein Eingriff in meine Freiheit. Ich bezahle mein Fahrgeld wie jeder andere. Dass man oben rauchen muss, ist ok. Aber dass man gar nicht rauchen darf, finde ich unverschämt." Und ein älterer Herr: "Solange der Staat Steuern kassiert, nehme ich an, dass überall geraucht werden darf."

Soziale Erwartungen verändern sich ständig

Heute erscheinen diese Antworten, so Skudlarek, wie aus der Zeit gefallen. Und folgert daraus: "Was erwartet wird, was sich gehört, was man macht, was man lässt; all dies ist keineswegs statisch. Soziale Erwartungen sind Gegenstand langsamer, aber permanenter Evolution."

Wie also kann in unserer Zeit, einer Zeit voller Krisen, eine tragfähige und solidarische Wir-Perspektive aussehen, die die Freiheit mit einschließt? Skudlarek macht deutlich, dass die Freiheit des Einzelnen immer nur zu haben ist, wenn auch die Gesellschaft erhalten bleibt.

Wir sind freie Menschen. Wir können handeln. Nur sind wir weder allein auf der Welt noch betrifft unser Handeln einzig uns. Der springende Punkt ist: Was wir tun, betrifft andere. Andere von denen wir abhängig sind. Mitmenschen, für die wir Verantwortung tragen. Zitat, S. 159

Insofern geht es demnach immer auch um den Schutz der Gemeinschaft. Und darum, das. was der Gemeinschaft schadet, einzuschränken. Sei es das Rauchen, die Gefahr einer Infektion oder die Verschwendung von Ressourcen.

Forderung nach Umdenken - weg vom Egoismus

Das Buch ist kurzweilig und gut zu lesen, macht aber an vielen Stellen auch nachdenklich. Skudlarek bietet in seiner Streitschrift keine Lösungen an, wie die Krisen dieser Zeit bewältigt werden sollten oder könnten. Er fordert aber ein deutliches Umdenken - weg vom Egoismus und der Ich-Bezogenheit hin zu einer gemeinschaftlichen Perspektive. 

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Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht

von Jan Skudlarek
Seitenzahl:
240 Seiten
Genre:
Sachbuch
Verlag:
Klett-Cotta
Label:
Tropen
Veröffentlichungsdatum:
19. August 2023
Bestellnummer:
ISBN: 978-3-608-50178-0
Preis:
22 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 19.08.2023 | 09:45 Uhr

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