Irma Stern: Künstlerpersönlichkeit voller Widersprüche
Irma Stern galt und gilt als eine der bedeutendsten Malerinnen Südafrikas und ist trotz ihrer deutschen Herkunft hierzulande nur wenigen bekannt. Nun ist ein kleiner Bildband erschienen.
Eine schwarze Dienstmagd sitzt auf einem weißen Bistro-Stuhl. Die Arme sind abweisend vor der weißen Schürze verschränkt. Die Stirn leicht hochgezogen, richtet sie ihren Blick aus den großen dunklen Augen zur Seite, als würde sie ihr Gegenüber nicht ansehen wollen.
Von romantischer Verklärung des Exotischen ist im Spätwerk Irma Sterns nicht mehr viel zu sehen, vielmehr macht sich Ernüchterung breit. 1955 entstand "Dienstmädchen in Uniform" - da gehörte die Apartheid in Südafrika schon zum Alltag. Ein "sozialrealistisches Porträt" sei dieses Werk, schreibt der Journalist, Kunstkritiker und Autor des Buchs Sean O’Toole.
Und damit steht das Bild in einem deutlichen Gegensatz zu all den frühen Porträts, Stillleben, Gruppenszenen und Landschaftsbildern Irma Sterns, in denen sie das ländliche Afrika und seine Menschen in satten Farben feiert.
Irma Sterns Jugend zwischen Südafrika und Deutschland
Sterns frühe Gemälde verbinden tatsächliche Begegnungen mit mythischen Darstellungen. Als Vagantin, die sie ihr ganzes Leben lang blieb, reichen ihre figurativen Gemälde aus den 1920er-Jahren von idealisierten Darstellungen ländlicher "Naiver" im Stil Gauguins, Pechsteins und Emil Noldes bis zu deskriptiven Porträts von Außenseitern und Angehörigen der Unterschicht. Leseprobe
Irma Stern wurde als Kind deutsch-jüdischer Auswanderer 1894 im südafrikanischen Schweizer-Reneke geboren, verbrachte aber viele Jahre ihrer Jugend in Berlin. Sie besuchte dort die Kunstschule, freundete sich mit Max Pechstein an und beteiligte sich an ersten Ausstellungen. Nach einigem Hin und Her zwischen Südafrika und Deutschland zog Irma Sterns Familie 1920 endgültig nach Kapstadt. Hier malte Stern anfangs immer wieder junge muslimische Frauen aus der Kapregion, hielt Rituale, Zeremonien und Hochzeiten auf Leinwand fest. Bereits 1922 hatte sie in Kapstadt ihre Debüt-Ausstellung, die zu einem wahren Spektakel wurde. Ihr expressionistischer Stil wurde von vielen als anstößig empfunden, doch es gab auch positive Kritiken. In jedem Fall war die Aufmerksamkeit groß.
Eine Künstlerpersönlichkeit voller Widersprüche
Aus Berichten von Zeitgenossen und Tagebucheinträgen ergibt sich das Bild einer zugleich verletzlichen und oft schroffen, derben Persönlichkeit, die nicht einfach zu fassen ist. Irma Stern liebte das Reisen, sie war immer wieder für längere Studien-Aufenthalte im ländlichen Afrika unterwegs. Viele ihrer Werke zeugen davon. Einzelporträts oder Figurenstudien verband sie oft mit der Darstellung von Blumen.
Das Bild einer Bananenträgerin von 1946 ist von sattem Grün geprägt. Die Frau scheint unter der Last der schweren Staude fast einzuknicken. Im Kontrast dazu leuchten ihre rote Kopfbedeckung und große rote Ohrringe aus der grünen Fläche hervor. Kräftiger Farbauftrag, klare Linien, viele Details - von ihren Werken geht eine starke Anziehungskraft aus. Sie sind als Zeugnisse eines bestimmten - auch kolonialen -Blickwinkels zu sehen - gemalt von einer Frau, die sich schon aufgrund ihrer Herkunft "zwischen den Kulturen" bewegte und sich dem aus ihrer Sicht "primitiv-exotischen" Afrika zwar sehr nah, aber immer überlegen fühlte.
Irma Stern sei, so heißt es im Buch, trotz ihrer Faszination für Afrika unfähig gewesen, schwarze Menschen als sozial Ebenbürtige zu betrachten und setzte sich nie ernsthaft für deren Rechte ein. Eine Künstlerpersönlichkeit voller Widersprüche, Ecken und Kanten mit nahezu grenzenloser Produktivität.
Irma Stern: Afrikanerin in Europa - Europäerin in Afrika
- Seitenzahl:
- 160 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- Hardcover, Pappband, 160 Seiten, 16,2 x 21,5 cm, 80 farbige Abbildungen
- Verlag:
- Prestel
- Bestellnummer:
- 978-3-7913-7806-0
- Preis:
- 25,00 €