Frauke Angel schreibt Kinderbücher über Sucht, Scheidung und Tod
Frauke Angel hat Kinderbücher zum Thema Sucht, Scheidung und Tod geschrieben. Trotz dieser schweren Themen, wirken ihre Bücher nicht so schwer. Wie kriegt sie das hin und woher hat sie ihre Ideen? Wir haben mit ihr gesprochen.
Frauke Angel ist Schriftstellerin, hauptsächlich im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur. Sie schreibt Bücher, macht Hörspiele, Theaterstücke und Libretti für Kinder und Jugendliche, manchmal auch für den Rest der Familie. Außerdem sagt sie über sich, dass sie Vorlesekünstlerin ist. Sie tourt durch Deutschland, Österreich und die Schweiz - überall dorthin, wo sie eingeladen werde.
Wie sind Sie Kinderbuchautorin geworden?
Frauke Angel: Das ist eigentlich eine ziemlich traurige Geschichte, aber mit einem glücklichen Ende. Ich bin gelernte Schauspielerin. Ich war viele Jahre am Theater, dann wurde es dort ein bisschen problematisch, weil ich sehr viel als Gast oder Gästin unterwegs war und dann Mutter geworden bin. Das ist dann nicht so einfach, wenn die Kinder zur Schule gehen. Es gibt eine Schulpflicht in Deutschland, so viel umziehen ist nicht drin. Dann ist auch noch meine eigene Mutter schwer erkrankt und ich habe beschlossen, sie zu pflegen. Das habe ich zwei Jahre lang gemacht und in der Zeit konnte ich gar nicht mehr arbeiten. Einen Großteil der zwei Jahre, war meine Mutter ans Bett gefesselt und hat sehr viel geschlafen. Damals habe ich mir überlegt, was ich machen könnte, was mir in meinem Leben Spaß gemacht hat und womit ich Geldverdienen könnte. Mir ist das Schreiben eingefallen.
Am Krankenbett meiner Mutter habe ich dann angefangen zu schreiben. Ich habe angefangen, mein Geschriebenes an Wettbewerbe zu schicken und habe ganz viele Preise gewonnen. Einer dieser Wettbewerbe, war einer in der Kinder- und Jugendliteratur, nämlich der Eberhard, ein Preis für Kinder- und Jugendliteratur mit Umweltbezug. Ab diesem Moment hat es mir bei der Kinder- und Jugendliteratur gefallen, ein bisschen besser als bei den Erwachsenen. Denn da gibt es bei der Preisverleihung immer nur Salzstangen und Mineralwasser mit und ohne Blubb. Das ist bei den Kinder- und Jugendbuch-Preisverleihungen ein bisschen anders. Außerdem kann man viel mehr lesen als Kinder- und Jugendbuch-Autorin. Mindestens die Hälfte meines Alltags besteht aus lesen. Lesen ist für mich die kleine Bühne. Dadurch habe ich mir mein privates Theater zurückgeholt und das mache ich sehr gerne.
Warum ist es Ihnen wichtig, Kinderbücher zu schreiben?
Angel: Es war einfach spannend. Ich muss dazu sagen, ich schreibe kein Fantasy. Ich schreibe sehr realistische Stoffe, die ich mir sehr genau von Kindern und Jugendlichen erzählen lasse, ungeschönt, oftmals ungelogen. Das hat mich gereizt. Das ist in der Erwachsenenwelt nicht mehr so. Da geht es für mich schon fast mehr ins Genre Fantasy. Das müsste ich mir ja ausdenken. Ich denke mir meine Geschichten nicht aus. Es sind alles Geschenke von Kindern und Jugendlichen oder Diebstahl, weil ich es mir anhöre, zum Beispiel in der S-Bahn oder im Bus, wenn sie miteinander reden.
Bleiben Sie beim Kinder- und Jugendbuchschreiben?
Angel: Ich will das gar nicht ausschließen. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass ich noch mal zurück auf die ganz große Bühne oder ans Theater gehe, wenn ich noch ein bisschen älter bin. Ich kann mir genauso gut vorstellen, dass ich für Erwachsene schreibe. Grundsätzlich finde ich aber, viel mehr Erwachsene sollten Kinder- und Jugendbücher lesen, auch Bilderbücher. Es gibt so viel zu entdecken. Wenn es gute Autorinnen und Illustratorinnen sind, dann ist das ein Genuss. Da kann sich auch so manche Erwachsenen-Literatur schämen.
In Ihren Büchern geht es um schwere Themen, wie Sucht, Tod und Scheidung. Sie lesen sich aber ganz leicht und gar nicht bevormundend. Wie schaffen Sie das?
Angel: Ich höre einfach ganz genau hin. Ich habe überhaupt keine Lust, jemanden zu bevormunden oder den moralischen Zeigefinger zu erheben. Ich weiß auch gar nicht, wie es funktioniert. Es interessiert mich auch nicht. Ich möchte gerne das Leben abbilden und das Leben ist nicht so. Es ist ein Klischee, dass man denkt, das Leben ist nur furchtbar. Natürlich ist es ganz furchtbar, wenn ein Kind vernachlässigt wird, wenn es geschlagen wird, wenn es Mobbing erfährt. Aber es kann genauso gut ein Trauma sein für ein Kind, wenn sich die Eltern getrennt haben. Trotzdem tun das 120.000 Eltern jedes Jahr. Nicht jedes dieser Kinder ist traumatisiert. Was ich sagen will, ist, dass Leben ein bisschen mehr parat hält als schwarz und weiß und Gut und Böse. Das ist mir wichtig. Ich schreibe zum Beispiel eine Geschichte, die im Plattenbau Ghetto spielt, aber das ist nicht verdreckt. Da wohnen nicht nur Alkoholkranke und vernachlässigende Eltern, so gehe ich nicht vor. Sobald etwas einseitig wird, ist mir das zu einfach. Ich möchte nicht über Menschen urteilen.
Wie gelingt es Ihnen gut und erfolgreich für Kinder zu schreiben?
Angel: Ich setze mich hin, wenn in meinem Kopf die Geschichte fertig ist. Vorher fange ich gar nicht erst an. Ich bin keine von den Schriftstellerinnen, die sich quält. Das habe ich auch schon mal gemacht, so nach dem Motto: Ich muss jetzt jeden Tag zehn Seiten schaffen oder 120.000 Wörter, das ist zu viel. Es gibt Maßstäbe, die Kolleginnen gerne mal setzen. Das mache ich nicht. Ich habe meistens was fertig im Kopf, setze ich mich hin und dann will das auch raus. Während des Schreibens ändert sich ganz viel. Was ich vorher dachte und im Kopf hatte, kann noch mal ganz anders ausgehen. Das war auch sehr lustig bei Krimis, wo man plötzlich auf halber Strecke denkt, ich glaube, der Täter ist ganz jemand anderes, oder ist es eine Täterin? Ich schreibe abends, nachts oder am Wochenende. Das will ich gar nicht erzählen, weil dann denken manche, sie könnten anrufen. Alles in allem, schreibe ich sehr gerne.
Wie lange dauert es von der Idee bis zur fertigen Geschichte?
Angel: Mein Schreibprozess ist eher kurz. Ich schleppe keine Idee zehn Jahre mit mir rum. Ich habe schon mal Projekte, die dauern länger, an einem arbeite ich jetzt schon vier Jahre, weil ich sehr viel recherchiert habe. Und ich habe das Trennungsbuch für Scheidungskinder mit Kindern zusammen gemacht. Das war eine relativ lange Arbeit, die über ein Jahr gedauert hat, weil ich dafür ein Konzept geschrieben habe. Es ist wie ein Ratgeber. Dann habe ich erst mal die Kinder ausgesucht, mit denen ich arbeite und es gab einen langen Vorbereitungsprozess. Aber der Schreibprozess an sich ist bei mir nicht lang. An einem Buch arbeite ich zwischen drei Wochen und drei Monaten. Ich habe auch gar nicht mehr Zeit, weil das Schreiben an sich ist ganz schlecht bezahlt. Denn in der Zeit muss ich auch noch andere Jobs machen. Das Schreiben ist nicht gut bezahlt und in der Kinder- und Jugendliteratur erst recht nicht.
Was magst du an deinem Job am meisten?
Angel: Dass es so wahnsinnig abwechslungsreich ist. Ich kann mich zurückziehen und ich kann theoretisch überall arbeiten, wo ich will, zum Beispiel im Hotel, in der Bahn, im Bett, am Frühstückstisch oder im Urlaub. Das ist super. Gleichzeitig habe ich den Vorteil, dass ich wahnsinnig viel auf Lesereise bin. Das heißt, ich bin nicht festgenagelt, denn das ist das Unangenehme am Schreiben. Das auf Tour gehen und Vorlesen ist ein perfekter Ausgleich. Beides zu verbinden ist super. Das ist ähnlich wie im Theater. Man hat lange geprobt, lange geschrieben und dann präsentiert man das dem Publikum. Wenn es nicht gut ist, was man gemacht hat, dann merkt man das auch und zwar sofort. Das ist noch mal was anderes, als wenn jemand in der Zeitung schreibt: 'Tolles Buch' oder 'Nicht so tolles Buch'. Ich merke, ob es toll ist oder nicht und zwar am Zielpublikum. Was Besseres gibt es gar nicht.
Sie sind Mama, lesen Ihre Kinder die Bücher auch?
Angel: Das wurde ich schon lange nicht mehr gefragt. Ja, ich bin Mama und nein, meine Kinder sind jetzt schon beide aus dem Alter heraus, in dem sie meine Bücher lesen. Ehrlich gesagt, haben die auch vorher nicht jedes Buch von mir verschlungen. Wobei ich die schon mal mit denen gelesen habe. Ich habe auch Bilderbücher. Meine Kinder lieben mich natürlich und was Mama macht, ist toll. Die haben vielleicht auch mal einen Vorschlag, aber sie würden nie nein sagen. Das wäre jetzt keine ehrliche Meinung. Was wir früher immer regelmäßig gemacht haben, wir haben gerne Radio gehört, weil ich auch viel fürs Radio schreibe, zum Beispiel Hörspiele und Hörgeschichten. Das hat sie sehr interessiert, da haben sie auch mal mitgesprochen, aber inzwischen sind sie zu alt.