Felicitas Hoppe steht vor einer blauen Containerwand © picture alliance / Erwin Elsner | Erwin Elsner Foto: Erwin Elsner

Im Gespräch: Felicitas Hoppe über die Kunst des Schreibens

Stand: 02.03.2024 00:00 Uhr

Felicitas Hoppe bekommt den mit 30.000 Euro dotierten Berliner Literaturpreis. NDR Kultur spricht mit der Schriftstellerin über Ehrungen, über Authentizität, über Humor.

Das Weserbergland mit der Märchenstraße war eine Prägung, sagt Felicitas Hoppe, sie liebt die Rattenfänger-Geschichte, weil man immer wieder über sie spekulieren könne. Und sie liebt das Gespräch, weil ihr Literatur zuerst mündlich begegnet ist. "Durch tun zum tun" heißt es in ihrem Buch "Hoppe", über das sie einmal gesagt hat: "Autobiographie heißt ja nicht Lebensfakten erzählen, sondern Autobiographie heißt, in Teilen verstehen, wer man selbst ist. Und das funktioniert in diesem Buch wunderbar, für mich. Für das Publikum? Das ist was anderes."

Sie haben schon so viele Ehrungen erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung? 

Felicitas Hoppe: Es ist so eine Sache mit den Ehrungen. Sie sind eine große Freude. Sie sind immer eine Ehre, wie der Begriff ja schon sagt. Zugleich ist jede Ehrung ein bisschen einer anderen Natur. Das hängt natürlich stark davon ab, woher der Preis kommt, wer der Namensgeber des Preises ist. Hier ist es die Stadt Berlin. Der Preis ist insofern besonders, als er mit einer Gastprofessur an der Freien Universität in Berlin verbunden ist, das heißt, man traut mir zu, ein Semester an dieser Universität zu lehren. Ich werde dort ein Schreibseminar unterrichten, muss, darf, soll, aber auch eine ganz reguläre Antrittsvorlesung halten und darf mich ein Semester lang Professorin nennen, mal sehen, wie das werden wird. 

 

Eine Frau mit kurzen Haaren lächelt - Schriftstellerin Felicitas Hoppe ©  imago images/VIADATA
AUDIO: Von Preisen und Professur: Felicitas Hoppe im Gespräch (26 Min)

Die Antrittsvorlesung ist öffentlich und wird am 15. Mai stattfinden. Was wird Ihr Thema sein? 

Hoppe: Für diese Antrittsvorlesung habe ich mir vorgenommen, mein Publikum genauer ins Auge zu fassen und über Resonanzräume, über Applaus zu sprechen. Was bedeutet es, Applaus zu bekommen? Was bedeutet es, gelobt zu werden? Es gibt auch Applaus von der falschen Seite, das darf man nicht vergessen. Und in diesen auch politisch hochbrisanten Zeiten ist es sehr wichtig und spannend und auch herausfordernd, über Resonanzräume zu sprechen und sich zu fragen: Zu wem spreche ich? Wer sitzt dort? Was für Erwartungen bringen diese Leute eigentlich mit? Was wünschen die sich von mir und was wünsche ich mir von denen? Sie haben in der Anmoderation das Gespräch erwähnt, und das möchte ich auf diesen Raum explizit ausdehnen und ein bisschen wegkommen von dem‚ was in meiner Werkstatt passiert.

Ich möchte aber trotzdem kurz zurück in die Werkstatt. Susan Sontag hat gesagt: "Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke." Wie gehen Sie an das Schreiben so einer Antrittsvorlesung heran, gerade wenn es um Resonanz geht, da sind alle genannten Aspekte ja eigentlich enthalten? 

Hoppe: Das Schreiben ist zunächst eine Form von Selbstgespräch, insofern stimme ich Susan Sontag zu. Ich versuche, meinen Gedanken auf die Spur zu kommen. Das geht im mündlichen Gespräch. In der Schriftlichkeit entfaltet sich das noch einmal ganz anders. Dafür braucht man die Ruhe, die Abgeschlossenheit und zugleich ist es etwas, was ich theoretisch im Kopf nicht könnte. Ich tue es durch die Motorik des Schreibens, durch die Handarbeit förmlich. Sie haben vorhin in der Anmoderation schön zitiert: "durch tun zum tun". Und ich würde sagen, auch durch tun zum Denken. Das ist etwas sehr Interessantes, zu sitzen, zu schreiben und plötzlich zu merken wie sich etwas öffnet. Das ist anders als nur nachzudenken. Zugleich entwickelt sich im Schreiben wieder eine Form des Gesprächs.

Ich merke, dass im Lauf der Zeit das Publikum unscharf ist. Ich stelle mir keine konkreten Leute vor, auch nicht die sogenannte Zielgruppe, das halte ich für einen ganz verfänglichen Begriff. Aber es gibt ein Gegenüber, und das wird angesprochen, sei es mündlich, sei es schriftlich; und diese Codes der Ansprache, auf die bin ich später erst in der Reflexion über meine eigenen Texte gestoßen, wo ich dachte, du sprichst immer irgendwo hin und wünscht dir, dass andere dir beim Denken zuschauen. Vielleicht ist das auch der große Wunsch nach diesem Gegenüber, das Freude hat, mich bei diesem Prozess zu begleiten. 

Das Gespräch führte Raliza Nikolov.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Das Gespräch | 02.03.2024 | 00:00 Uhr

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